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Zur Geschichte der Entstehung der Pilzflora von Sachsen
Ein gewichtiges Pilz-Werk
Geschichte der Entstehung der Pilzflora von Sachsen
Ein lang gehegter Wunsch sรคchsischer Mykologen ging mit der Herausgabe der Pilzflora von Sachsen in Erfรผllung. Damit ist ein Projekt zum Abschluss gebracht worden, das schon 1916 angeregt, aber erst 1988/89 mit Grรผndung der Arbeitsgemeinschaft sรคchsischer Mykologen (AGsM) zielstrebig bearbeitet wurde.

Herausgeber Sรคchsisches Landesamt fรผr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden und AG sรคchsischer Mykologen
Gestaltung und Satz: FRIEBEL Werbeagentur und Verlag GmbH Dresden
Viel organisatorische Arbeit, Weiterbildung und Voraussetzungen wie Beschaffung von Technik (Mikroskope, Computer, Software) und internationale Literatur waren notwendig, um das Ziel zu erreichen. Die konzeptionellen Grundlagen wurden federfรผhrend durch Hans-Jรผrgen Hardtke, Frank Dรคmmrich, Thomas Rรถdel und Friedemann Klenke unter Einbeziehung von Herbert Boyle und Peter Welt geschaffen. Ein kleines Autorenteam ermรถglichte ohne Reibungsverluste ein schnelles und kameradschaftliches Arbeiten. Die Einbeziehung weiterer namhafter Mykologen sicherte die Qualitรคt. Eine stete Fรถrderung erfuhr das Projekt durch das Sรคchsische Landesamt fรผr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Ein Dank gilt auch dem Staatsbetrieb Sachsenforst (SBS), insbesondere vielen Revierfรถrstern im Erzgebirge und der Oberlausitz fรผr die unbรผrokratische Erteilung der Betretungsgenehmigungen fรผr Waldwege und Forstreviere. Der Nationalparkverwaltung Sรคchsische Schweiz sei fรผr die jahrelange Unterstรผtzung bei der Erfassung der Pilzvorkommen im Gebiet des Nationalparkes (NLP) gedankt, ebenso dem Bundesamt fรผr Naturschutz Bonn (BfN) fรผr die Fรถrderung der Untersuchung von Pilzen auf Bergwiesen im Rahmen eines Entwicklungs- und Erprobungsvorhabens. Durch die gute Zusammenarbeit mit der Landesstiftung Natur und Umwelt des Freistaates Sachsen konnten wir zahlreiche Weiterbildungsveranstaltungen zur Pilzbestimmung und zur MYKIS-Anwendung in allen Teilen Sachsens durchfรผhren. Die Kartierung im Feld und die Bestimmung der Pilze durch die Mitglieder der AGsM und zahlreiche mykologische Arbeitsgruppen im NABU und BUND erfolgten ehrenamtlich. Ein besonderer Dank gilt auch dem Sรคchsischen Staatsministerium fรผr Soziales und Verbraucherschutz sowie der Deutschen Gesellschaft fรผr Mykologie (DGfM) fรผr ihre Unterstรผtzung.
Die Pilzflora ist ein Gemeinschaftswerk von ca. 100 Mykologen. Sie entstand weitgehend im Ehrenamt. Allen Kartierern wird im Abschnitt 6 der Pilzflora gedankt.
Seit der Grรผndung der AGsM im Jahre 1988/89 wurde das Ziel verfolgt, mit Aufrufen und jรคhrlichen sรคchsischen Pilztagungen eine landesweite Datenbank fรผr eine Pilzflora von Sachsen zu schaffen: Zuerst in Karteikartenform, nach 1990 auf der Basis digitaler Speicher. Aus den Erfahrungen der Pflanzenkartierung – der Pflanzenatlas Sachsen wurde von 1994 bis 2000 erarbeitet – zeigte sich, dass eine Punktkartierung nicht in endlicher Zeit zum Ziel fรผhrt. Es wurde deshalb die bewรคhrte Form einer Rasterkartierung auf der Basis geviertelter Messtischblatt-Quadranten eingefรผhrt, das heiรt, die Daten werden mit einer Genauigkeit von 3 x 3 km erfasst. Bereits 1998 konnte die erste Kommentierte Checkliste der Pilze Sachsens vorgelegt werden (HARDTKE & OTTO 1998). Die Organisation der Pilzkartierung erfolgt รผber die AGsM und deren Leitung im Ehrenamt. Die Datenbank liegt bei der AGsM (Hans-Jรผrgen Hardtke, Sicherungskopie bei Frank Dรคmmrich) und beim LfUGL/Freiberg.
Seit 2005 wurden groรe Teile der vorliegenden Daten von den Kartierern digitalisiert und an die Datenzentrale geschickt.
Auf den jรคhrlichen Tagungen erfolgte die Weiterbildung der im Ehrenamt arbeitenden Kartierer, insbesondere zur Bestimmung kritischer Gattungen und in der Mikroskopiearbeit. Technik und Literatur stehen seit 1990 ausreichend zur Verfรผgung.
Um einen รberblick zur Bearbeitungsgรผte in der Flรคche zu bekommen, wurden zehn Leit-arten ausgewรคhlt, die Karten erarbeitet und auf die Homepage der AGsM gestellt. Zu den Leitarten gehรถrten z. B. Fliegenpilz (Amanita muscaria), Pfifferling (Cantharellus cibarius), Zunderschwamm (Fomes fomentarius) und Frauen-Tรคubling (Russula cyanoxantha). Jรคhrliche Kartierungswochenenden fรผllten Lรผcken in der Verbreitung. Dadurch konnte der Bearbeitungsstand in der Flรคche innerhalb weniger Jahre verdreifacht werden. Heute gibt es keinen Quadranten in Sachsen mehr, der nicht mindestens einmal begangen wurde.
Um Defizite in den Biotopen zu beheben, wurden bisher wenig begangene Biotope jรคhrlich schwerpunktmรครig ausgewรคhlt und kartiert. Dazu gehรถrten Auwรคlder, Quellfluren, Rรถhrichte und Hochstaudenfluren. Die Erfassung der Pilzflora auf Friedhรถfen und in Parkanlagen brachte beispielsweise folgende Ergebnisse: 2.680 Arten mit 33.965 Fundpunkten. Es zeigte sich, dass Parkanlagen und Friedhรถfe durch ihren Struktur- und Baumreichtum und als ungedรผngte Flรคchen eine รผberdurchschnittliche Pilzausstattung besitzen.
Groรen Wert wurde bei der Erarbeitung darauf gelegt, sรคmtliche Literatur mit Pilzangaben aus Sachsen zu erfassen und auszuwerten, darunter auch Exsikkatenwerke und die historische Literatur. In der Pilzflora werden die alten Pilznamen als Synonym angegeben, um ein Nachschlagen im Original zu erleichtern. Die รคltesten Angaben zu Pilzen in Sachsen stammen aus dem Jahr 1594 von Johannes FRANKE โHortus lusatiaeโ. Folgende alte Werke wurden beispielsweise ausgewertet: Alexander von HUMBOLDT (1793), Christian Friedrich SCHULZE (1770, 1775), Georg Rudolph BรHMER (1750), Johann Gottlieb GLEDITSCH (1753), Johann HEDWIG (1789) und Friedrich Traugott PURSCH (1799). Des Weiteren wurden beispielsweise die Pilzfloren von ALBERTINI & SCHWEINITZ (1805), FICINUS & SCHUBERT (1823), HOLL (1840), HARZER (1842), RABENHORST (1863-1870), WINTER (1884) und WรNSCHE (1889) gesichtet.
Neben den Zeitschriften mit mykologischem Inhalt wurden vollstรคndig die Herbarien der Universitรคt Leipzig (LZ), der TU Dresden (DR) und des Senckenberg Naturkundemuseums Gรถrlitz (GLM) ausgewertet, teilweise die der Universitรคten in Jena (JE), Berlin (B), Stockholm (S) und verschiedene amerikanische Herbarien. Ausgewertet wurden auch die Exsikkatenwerke von Wilhelm Krieger (Fungi saxonici 1885-1919, Schรคdliche Pilze 1896-1908), Paul Sydow (Mycotheca marchica 1880-1899) und Uwe Braun (Fungi selecti exsiccati seit 2004) sowie groรe Teile der meisten mitteleuropรคischen Exsikkatenwerke.
Die Feldtagebรผcher vieler Pilzkundler wurden erfasst und digitalisiert.
Um einen stรคndigen aktuellen Datenstand zur Pilzflora von Sachsen zu haben, wurde eine zentrale Datenbank geschaffen. Die Grundlage dieser Datenbank bildet das Programm MYKIS. Dieses mykologische Informationssystem wurde mit dem Ziel entwickelt, ehrenamtlich arbeitenden Mykologen ein Hilfsmittel zur effektiven, unkomplizierten und sicheren rechentechnischen Erfassung, Verwaltung und Auswertung der Funddaten zur Verfรผgung zu stellen. Die einzelnen Kartierer liefern ihre Daten รผber eine Exportfunktion an die Zentrale Datenerfassung Sachsens, wo sie verwaltet und gepflegt werden.
Die Fundorte werden im Raster der Messtischblatt-(MTB-)Viertelquadranten angelegt.
Als รถkologische Angaben kรถnnen zu jedem Fund in MYKIS Pflanzengesellschaft, Wirt, Organ/Substrat, Substratzustand und Wuchsstelle eingetragen werden. Die Wirte-Datei enthรคlt alle Pflanzen, Moose und Farne Deutschlands.
Neben Finder und Bestimmer ist die Angabe einer eventuellen Revision und des Herbariums mรถglich, in dem der Beleg hinterlegt ist.
Als taxonomische Grundlage dient eine Artenliste, auf der gleichzeitig die taxonomische Referenzliste Deutschlands der DGfM, das Internetportal GBIF (Global Biodiversity Information Facility) und das Arterfassungsprogramm MultiBaseCS basieren. Eine regelmรครige Pflege und Erweiterung garantiert die Aktualitรคt dieser Liste, die und georeferenziert. Die fรผr jedes MTB hinterlegten Karten bieten die Mรถglichkeit, jeden Fundort genau mit GPS-Daten und im Gauร-Krรผger-System zu definieren. Eine Umrechnung in die verschiedenen Projektionen geographischer Koordinaten ist integriert. Eine Auswertung dieser Koordinaten fรผr jede Art ist durch Karten realisiert, die eine Verbreitung in Sachsen sichtbar machen.
Inhalt und รbergabe der Bรคnde an die รffentlichkeit
Die รbergabe der Bรคnde 1 und 2 der Pilzflora von Sachsen erfolgte im Rahmen eines Festkolloquium in Freiberg am 17.9.2021 in der Alten Mensa der Universitรคt Freiberg. Die Festvortrรคge wurden von Prof.Dr.A. Bresinsky/Regensburg, Doz.Dr.H. Dรถrfelt/Jena und Prof.Dr. H.-J. Hardtke/Dresden gehalten. Die Leitung hatte der Prรคsident des Landesamtes fรผr Umwelt,Geologie und Landwirtschaft Sรคchsischen Herr N. Eichkorn.
Die Bรคnde sind umfangreich mit Pilzbildern ausgestattet. Die Auswahl der Bilder erfolgte durch eine Bildredaktion, die aus dem Fundus von 3700 Bildern der AG sรคchsischer Mykologen und des Landesamtes ca. 900 Fotos aussuchte. Diese sind in den Bรคnden in hoher Qualitรคt wiedergegeben (Passavia Druckservice GmbH). Die Gestaltung und das Design erfolgte in hoher Qualitรคt durch den Verlag Friebel/Dresden.
Neben dem Artenverzeichnis enthalten die Bรคnde Abschnitte zur Geologie, zum Klima Sachsens und zur Geschichte der mykologischen Erforschung Sachsens.
Der Inhalt der Bรคnde gliedert sich wie folgt:
0. Geleitwort und Vorwort
1. Methodik, Organisation und Datenbestand
2. Datenbank, Programmsystem MYKIS und Bearbeitungsstand
3. Bearbeitungsgebiet, Naturrรคume, Klima und Geologie
4. Geschichte der Mykologie in Sachsen
5. Aufbau der Artenliste und Nomenklatur
6. Dank an die Mykologen und Projektmitarbeiter
7. Biotoptypen
8. Textaufbau und Kartendarstellung
9. Systematischer Teil
10. Abkรผrzungsverzeichnis und Glossar
11. Literatur
12. Register der wissenschaftlichen Pilznamen
13. Register der deutschen Pilznamen
14. Personenregister zu Kapitel 4
Das dem Band 2 angefรผgte Literaturverzeichnis kann auch als kleine Bibliographie der sรคchsischen Pilzliteratur angesehen werden.
Jede Art wird nach einem Grundschema abgehandelt, die Phรคnologie angegeben und bei mehr als 5 Fundpunkten eine Verbreitungskarte beigegeben.
Die Anordnung im Text erfolgt nach dem wissenschaftlichen System nach Klassen, Ordnungen, Familien, dann aber alphabetisch nach Gattungen bis zu den Arten.
Allein die in den Bรคnden 1 und 2 abgehandelte Abteilung Basidiomycota enthรคlt 12 Klassen mit 43 Ordnungen und 144 Familien.
In der Summe sind dies 3683 zu abzuhandelten Arten.
Jeder Abteilung, Klasse, Familie und Gattung ist ein erklรคrender Text vorangestellt.

EMT Elbe-Mulde-Tiefland
Erz.-V. Erzgebirgsvorland
Erz. Erzgebirge
ES Elbsandsteingebirge
OL Oberlausitzer Hรผgel-und Bergland
OLH Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft
SH Sรคchsisches Hรผgelland
Vgt. Vogtland mit Elstergebirge
Die Texte der Arten sind wie folgt aufgebaut:
Name mit Autornamen und deutscher Name
Synonyme:
รkologie: Biotope/Vegetationseinheit, Wirt, Geologie
Verbreitung: Einschรคtzung in 8 Makrochoren mit Fundorten bei seltenen Arten
Phรคnologie: in Sรคulendiagrammen fรผr alle Arten
Gefรคhrdung: Symbole Rote Liste 2015 und Bestandsentwicklung
Bemerkungen: essbar oder nicht, kurze Beschreibung, Bestimmungshinweise, Abbildungshinweise, Verwechslungsgefahr, Literaturangaben aus Sachsen, Erstnachweis im Gebiet
Zahl der Datensรคtze/Zahl der Mtb.- Quadranten
Das heiรt, zu jeder Art wird der Rote Liste-Status angeben und auch etwas zur Essbarkeit bzw. Giftigkeit geschrieben.
Der Bearbeitungsstand der Pilzflora von Sachsen geht aus der beigefรผgten Karte zum Durchforschungsgrad hervor.
Die sรคchsischen Naturrรคume sind nicht gleichmรครig durchforscht. Lรผcken gibt es vor allem in den Ackerbaugebieten der Lommatzscher und Groรenhainer Pflege, die allerdings kaum grรถรere Waldgebiete besitzen. Weitere unterkartierte Gebiete sind die Lausitzer Platte und die nordรถstlichen Teile Sachsens. Insgesamt sind circa 0,5 Millionen Daten bei der Kartendarstellung berรผcksichtigt worden. Damit liegt die Bearbeitungsgรผte weit รผber dem Durchschnitt anderer Bundeslรคnder in Deutschland.
20 neue Arten fรผr Sachsen entdeckt
Im Zuge der Bearbeitung zeigte es sich, dass gegenรผber der 2015 publizierten Checkliste der Arten Sachsens 15 Arten gestrichen werden mรผssen. Dazu zรคhlen z. B. Amanita vernalis, Tricholoma bufonium, Lactarius leonis, Hygrocybe citrinum. Durch die Bearbeitung kritischer Gattungen, durch die Bearbeitung von Herbarmaterial und durch die natรผrliche Florenรคnderung durch Klima und Biotopverรคnderungen hat sich die Zahl der Arten seit 2015 um fast 40 erhรถht. Allein 2022 konnten 20 Arten neu fรผr Sachsen festgestellt werden:
- Alternaria conjuncta E.G. Simmons
- Asteromella convallariae (Cavara) Petr.
- Didymella prominula (Speg.) Piroz. & Morgan-Jones
- Eriosphaeria vermicularia (Nees: Fr.) Sacc.
- Gloniella typhae (Fuckel) Sacc.
- Gyromitra ticiniana Littini
- Hyphoderma albocremeum (Hรถhn. & Litsch.) J. Erikss. & ร . Strid
- Hysteropeltella moravica Petr.
- Inocybe leiocephala var. flavidifolia (E. Ferrari) E. Ludw.
- Inocybe sericeopoda Furrer-Ziogas
- Leveillula duriaei (Lรฉv.) U. Braun
- Myriosclerotinia luzulae
- Nodulosphaeria mathieui (Westend.) L. Holm
- Pilidium concavum (Desm.) Hรถhn.
- Pleurotus ostreatus var. praecox E. Ludw.
- Psilocybe sylvatica (Peck) Singer & A.H. Sm.
- Puccinia rossiana (Sacc.) Lagerh.
- Stephanoma tetracoccum Zind.-Bakker
- Trichopeziza lizonii (Svrฤek) Baral & E. Weber
- Xenolachne longicornis Hauerslev
Die weltweit zunehmenden DNA-Analysen von Pilzen zeigen, dass viele Arten in Gruppen, in sogenannten Aggregaten, zusammengefasst werden mรผssen. Dies haben wir erlรคutert und konsequent in der Pilzflora angewandt. Die Pilzflora Sachsens von 2021 bildet die Grundlage fรผr eine Neubearbeitung der Roten Liste Sachsens.
Fliegenpilz nur Platz 9
Die Kartierung zeigte auch, welche Arten die hรคufigsten in Sachsen sind:
- Zunderschwamm (Fomes fomentarius): 4553 Funde
- Schmetterlings-Tramete (Trametes versicolor): 4333 Funde
- Behaarter Schichtpilz (Stereum hirsutum): 3809 Funde
- Perlpilz (Amanita rubescens): 3700 Funde
Der Fliegenpilz folgt mit 3227 Funden erst auf Platz 9.
Die Arbeit an der Pilzflora von Sachsen geht kontinuierlich weiter: Zur Zeit arbeiten wir am Band 3, der die Ascomyceten und Schleimpilze enthalten wird.
Prof. Dr.-Ing.habil Hans-Jรผrgen Hardtke
Vorsitzender der AG sรคchsischer Mykologen