Weg 20: Grenzweg Nord

ยปZeigefinger in sรคchsischer Landschaftยซ

April 2025: Weg 20: ยปGrenzweg Nordยซ von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

An der Pulsnitz entlang auf dem Pfad der tausend Eichen

Am Ostersonntag 2012 marschierten wir im Zentrum der Lausitz und der Sorben von Panschwitzโ€“Kuckau aus. Am Ostersonntag 2014 nun fuฬˆhrt uns der Weg zum westlichsten Ort der Lausitz von Ortrand aus nach Lindenau in das Gebiet des Schraden. Von Dresden uฬˆber die A13 fahren wir aber in Thiendorf ab und unternehmen nach links fahrend einen Abstecher zum โ€žTraumschloรŸโ€œ Schรถnfeld. An den Gedenksteinen lesen wir, dass auch die sรคchsischen Kรถnige Georg, Albert und Friedrich August hier weilten und den Reiz dieser Anlage schรคtzten.

Schรถnfeld, 1901. Foto: Dr. Michael Damme
Zur Erinerung an Kรถnig Albert, 1901. Foto: Dr. Michael Damme
Zur Erinerung an Kรถnig Albert, 1901. Foto: Dr. Michael Damme

SchloรŸ Schรถnfeld:
Das auf einer kleinen Anhรถhe gelegene heutige SchloรŸ von baukuฬˆnstlerischer Bedeutung geht auf eine Vorgรคngeranlage zuruฬˆck. Die in Sachsen seit dem 13.Jahrhundert ansรคssige Familie von Erdmannsdorf hatte hier 1570/90 ein RenaissanceschloรŸ erbaut. Im 19.Jhd. wechselte der Besitz an die Freiherrliche Familie von Gutsbesitzern, Inhaber des Eisenhammerwerkes Dรถlzschen sowie der Burgker Steinkohlengruben, von Dathe und Burgk. Maximilian von Dathe und Burgk, Kรถnig-lich Sรคchsischer Kammerherr, Rittmeister a.D. und Fideikommissherr auf Schรถnfeld, lieรŸ 1882-84 durch massive Umbauten den neuen Herrensitz als typisches BuฬˆrgerschloรŸ im Neorenaissancestil durch Gotthilf Ludwig Mรถckel (1838-1915) errichten. Die Anlage vom GroรŸen und Kleinen SchloรŸ, Wagenremise, Kuฬˆchentrakt, Fasanerie und Wirtschaftsgebรคude hat ihren Hauptakzent in dem dreigeschossigen GroรŸen Turm mit 13m AuรŸendurchmesser. 1945 verlief in Schรถnfeld das Frontgebiet. Die Lรคndereien wurden enteignet und im SchloรŸ waren nacheinander die Kommandantur der Roten Armee, Umsiedlerwohnungen und Landwirtschaftseinrichtungen, wie MTS, VdgB und LPG untergebracht. Bereits 1964/65 wurden Restaurierungsarbeiten am und im SchloรŸ durchgefuฬˆhrt; seit 1988 wurden diese intensiviert und halten bis heute an.

10 Minuten spรคter sind wir uฬˆber die A13 Richtung Berlin und rechts abbiegend am Ausgangs-punkt unserer gemuฬˆtlichen etwa 14 km langen Osterroute, in Ortrand. Ein originelles Schild am Ortseingang zeigt uns wie weit es von Ortrand bis nach Kapstadt, nach New York oder bis nach Spitzbergen ist. Fuฬˆr uns einfache Wandergesellen sowieso viel zu weit und zu heiรŸ oder zu kalt. Wir parken unser Auto auf dem Altmarkt. Ein kurzer Blick uฬˆber den Platz, auf das Rathaus und die Postmeilensรคule und ab gehtโ€™s in Richtung der Kirche uฬˆber die Pfarrgasse zum Kirchplatz. In der Stadtkirche St. Barbara bereitet man sich gerade auf den Oster-gottesdienst vor und bittet uns doch hier zu bleiben. Wir lehnen dankend ab. Dann die uฬˆblichen Fragen woher, wohin. Als wir denen erzรคhlen, dass der Bildhauer der die neue Ausstattung der Kirche schuf, Friedrich Press, fast unser Nachbar war, staunen sie und wuฬˆnschen uns eine gesegnete Wanderung. Der Allmรคchtige muss das vernommen haben, denn uns war ein Traumwetter beschieden. Als wir uฬˆber die Schulgasse zur Pulsnitz hin gehen lรคuten die Glocken โ€“ 10:00 Uhr. Weiter nach links uฬˆber die StraรŸe der Einheit und da gleich uฬˆber die Pulsnitz vorbei an der Schรคnke โ€žZum Ritterhofโ€œ und links in die Lindenauer StraรŸe vorbei an ein paar Einfamilienhรคusern. Weiter uฬˆber die StraรŸe โ€žGroรŸe Lamprichteโ€œ an einem Weinfeld vorbei. Fast am Ende der Siedlung, fuฬˆhrt der Weg โ€žAn der Pulsnitzโ€œ hinunter zum Wehr, vor dem sich das FluฬˆรŸchen teilt. Die Neue Pulsnitz zweigt vor dem Wehr links ab. Nach 0,7 km sind wir nun an dem Wasser, das uns 2/3 unseres Weges begleiten wird.

Von Ortrand in die Welt. Foto: Dr. Michael Damme
Kirche Ortrand. Foto: Dr. Michael Damme

Ortrand:
Der Ortsname bezeichnet die Grenzlage an der Pulsnitz zur Oberlausitz. Bei einer im 12. Jhd. erbauten Grenzburg mit Burgsiedlung entstand die 1238 genannte Gruฬˆndung der Stadt an der โ€žHohen StraรŸeโ€œ als planmรครŸige Stadtanlage. Anstelle der alten Burg wird zwischen 1312 und 1433 ein SchloรŸ erwรคhnt, das bei den Hussiteneinfรคllen zerstรถrt und 1500 abgebrochen wurde; sein Standort war der heutige Topfmarkt.
Im 19. Jhd. setzte die Industrialisierung ein, Wollspinnereien, Tuchfabriken und das bis 1990 existierende Kunstseidenwerk sind zu nennen.
Bedeutende Baudenkmale sind die evangelische Stadtkirche St. Barbara, die nach dem Stadt-brand von 1728 unter Leitung von George Bรคhr erneuert wurde, die evangelische Pfarrkirche St. Jakob, sowie das klassizistische Rathaus von 1840 und das Herrenhaus โ€žLehnsmuฬˆhlen-schlรถsschenโ€œ in der Muฬˆhlgasse.

Vorbei geht es an einer schรถnen, wilden Obststreuwiese. Zum Gluฬˆck fuฬˆhrt die Pulsnitz, die in Ohorn entspringt und nach 60 km in Elsterwerda in die Schwarze Elster muฬˆndet, kein Hochwasser. So kommen wir trockenen FuรŸes unter der niedrigen Autobahnbruฬˆcke hindurch, ohne einen Umweg uฬˆber die LandstraรŸe L59. Nun geht es immer entlang des Fluฬˆsschens auf dem von der Juniflut 2013 frisch sanierten Damm, dem โ€žPfad der tausend Eichenโ€œ 2,5 km bis zu einem Wehr in Hรถhe Lindenau. Kurz davor muฬˆndet die โ€žNeue Pulsnitzโ€œ wieder in den MutterfluรŸ. Unterwegs sehen wir die Spuren eines fleiรŸigen Baumeisters, der besonders die Birken zwischen den Eichen als Bauholz ausgemacht hat โ€“ der Biber. Seine Burg finden wir nicht, aber seine Spur ist unuฬˆbersehbar. Auch der Fischotter und der Lachs sind in die Landschaft des Schraden zuruฬˆckgekehrt. Und als der Lรคrm der Autobahn langsam verstummt, uฬˆbernehmen zahllose Vรถgel die Begleitmusik auf unserem Weg. รœberall durchziehen nun Kanรคle die Ebene, hier im โ€žSchradenโ€œ. Wir marschieren 0,3 km nach rechts entlang des Muฬˆhlgrabens in Richtung Lindenau. Dann nach links uฬˆber eine Bruฬˆcke auf dem Schwinzweg parallel des Scheibeneichelgrabens und nach 0,2 km, hinter den Schrebergรคrten nach rechts in Richtung Sportplatz. Nach dem Sportkasino geht`s nach rechts bis wir wieder auf den Muฬˆhlgraben treffen. Dem folgen wir weiter vorbei an der gegenuฬˆberliegenden, Lindenauer โ€žBlauen Muฬˆhleโ€œ, die man auch aus dem Ortskern uฬˆber die Muฬˆhlgasse vorbei am Kalmusteich erreichen kann. Wir folgen dem Muฬˆhlgraben in einem langen Linksschwenk. Gegenuฬˆber liegt ein Auwald. Nach 1,4 km liegt das SchloรŸ Lindenau vor uns, hier im westlichsten Ort der Oberlausitz, am Rande des Schraden. Ein Rundgang um das SchloรŸ und durch den schรถnen Park ist ein romantisches Erlebnis, bei dem man die Ruhe des Ortes einatmen kann.

โ€žDer Pfad der tausend Eichenโ€œ. Foto: Dr. Michael Damme
Biberspuren. Foto: Dr. Michael Damme

Die Pulsnitz:
Der linksseitige NebenfluรŸ der Schwarzen Elster entspringt unweit der Stadt Pulsnitz in einer Brunnengefassten Quelle in der Gemeinde Ohorn in 349m uฬˆ. NN. Ihr Name geht auf die altsorbische Grundform Polnica zuruฬˆck, was in etwa kriechen, langsam fliesen bedeutet. Der alte Oberlausitzer (bรถhmisch) – MeiรŸnische GrenzfluรŸ tritt bei Ortrand ins Brandenburgische und muฬˆndet nach 56 km bei Elsterwerda in die Schwarze Elster. Ein kanalisierter FluรŸarm, die so ge-nannte Neue oder Grenzpulsnitz verlรคuft wie der FluรŸ selber, durch die Bruchlandschaft des Schraden:
Die Sumpf- und Moorlandschaft, gebildet durch die Wasser der Pulsnitz und der Schwarzen Elster, liegt unter 100 m uฬˆ.NN und erstreckt sich uฬˆber 15.000 ha. Schon um 1200 erwรคhnen Urkunden โ€žZtradinโ€œ, das sorbische Wort fuฬˆr Sumpfwald oder Niedermoor. Die Torf- und Braunkohlengewin-nung erforderte schon um 1850 planmรครŸige WasserbaumaรŸnahmen. Als man 1925 einen Elbe-Spree-Oder-Kanal durch das Gebiet plante, der jedoch nicht zur Ausfuฬˆhrung kam, wurden nachfolgend dennoch umfassende Meliorationen zu Gunsten der Landwirtschaft intensiviert. Heute durch ziehen den Schraden 350 Grรคben mit einer Flieswasserstrecke von 320 km.

Wir gehen durch das Torhaus vorbei an der Dorfkirche hin zum Gasthof, der gerade `mal geรถffnet hat und genehmigen uns ein Urkrostitzer Bier (0,5ltr = 1,70 โ‚ฌ!) vom Fass. Ein Trinkbruder prostet uns zu. Der hatte uns in der Kirche in Ortrand gesehen.

Lindenau:
Der Ort in der Schradenniederung entstand im 14. Jhd. an einer Talsandterrasse und ist von umgebenden Teichanlagen โ€žentwรคssertโ€œ. Rittersitz, Vorwerk und Dorf waren im Besitz derer von Glaubitz und von Minckwitz bevor der Kurfuฬˆrstlich-Sรคchsische Kabinettsminister Heinrich Graf von Bruฬˆhl (1700-1763) Lehnsherr wurde. Von dessen Nachbesitzern ist vor allem die Fuฬˆrstenfamilie von Lynar bis 1945 zu nennen. Eine Wasserburg war Vorgรคnger des ersten Renaissanceschlosses, das im 16., 17. und 18. Jhd. hรคufig erweitert und umgebaut wurde. Der heutige neobarocke SchloรŸbau resultiert aus dem 19. Jhd.; eine letzte Umgestaltung fand 1920 statt. Nach 1945 fungierte die SchloรŸanlage als Lehrerbildungsinstitut, von 1951-1998 als Kinderheim. Ein Ausbau zur Seniorenresidenz war vorgesehen. Gut erhalten ist das imposante Torhaus von 1690, heute Heimatstube mit Uhrenmuseum. Dicht dabei die evangelische SchloรŸkirche von 1668. Bemerkenswert ist der 23 Hektar groรŸe Landschaftspark, der axial auf das SchloรŸ ausgerichtet ist.

Einmal also durch den SchloรŸpark, dann zuruฬˆck uฬˆber den Muฬˆhlgraben gleich links in den Weg โ€žAm Parkโ€œ und am Muฬˆhlgraben entlang uฬˆber die Wiesen bis zur Elsterwerdaer StraรŸe – 0,8 km.
Auf der einsturzgefรคhrdeten StraรŸenbruฬˆcke liefen wir uฬˆber die Pulsnitz und an deren anderem Ufer zuruฬˆck. Links die Pulsnitz und rechts ein Kanal. In der Achse des Schlosses hat das Hochwasser auch die ehemalige Bruฬˆcke entschรคrft. Doch bei nรคherem Hinschauen kรถnnte man trockenen FuรŸes uฬˆber die groรŸen Bruchsteine gehen. Vorbei am Graben Nr. 6 und am GroรŸthiemig โ€“ Krauschuฬˆtzer โ€“ Binnengraben und dann nach rechts in den Weg, den wir auf dem Herweg bereits parallel zum Scheibenei-chelgraben liefen.

SchloรŸ Lindenau. Foto: Dr. Michael Damme


Der Weg fuฬˆhrt am Graben Nr. 5 entlang direkt in das StraรŸenangerdorf Frauwal-de. Nach 1,8 km erreichen wir den Ort. Auf der Dorf-straรŸe nach links bis zum Dorfkrug in der Dorfmitte. Hier trinken wir ein kleines Urkrostitzer und erledigen wichtige Geschรคfte. Dann weiter bis ans Ende der DorfstraรŸe und links ent-lang am Binnengraben Nr. 3. Eine Ringelnatter fuฬˆhlt sich von uns gestรถrt und taucht in das Wasser ab. Nach 1,5 km endet der Graben und wir biegen nach rechts am Binnen-graben ab. In Hรถhe des Schlosses fuฬˆhrt uns ein Weg links hinein bis zu einer verzinkten neugotischen Tuฬˆr, hinter der wir nach 0,8 km im SchloรŸpark GroรŸ-kmehlen stehen. Nach dem Gang um das Wasser-schloรŸ und dem Spielen auf der Silbermannorgel, was uns die freundliche Frau Winkler aus der Pfarrei erlaubte, gehtโ€™s weiter uฬˆber die StraรŸe โ€žAm Angerโ€œ durch ein รคhnliches StraรŸenangerdorf wie Frauwalde, an Richters Gasthaus vorbei auf die Kmehlener Berge zu. Nach 0,7 km nach links in den Oberweg Richtung Kleinkmehlen. Frau Winkler erzรคhlte uns zuvor, dass der 201m hohe Kutschenberg der Hรถchste Berg in Brandenburg ist โ€ฆ alles altes Sachsenland โ€ฆ denke ich, aber das ist wohl nun vรถllig Wurscht, welchem Bundesland dieser Huggl gehรถrt, Hauptsache die Sachsen und PreuรŸen kรถnnen das Land gleichermaรŸen, wie wir durchstreifen. Unterhalb der Landesgrenze fuฬˆhrt der Weg unter der A13 hindurch bis zur BrunnenstraรŸe – 2,3 km. Diese nach links abwรคrts, den Kirchturm schon im Blick. Nach den letzten 0,8 km sind wir wieder auf dem Ortrander Markt angekommen. War das eine schรถne Wanderung in einer Landschaft von der wir bisher auch nur entfernt gehรถrt hatten.

Kirche und SchloรŸ GroรŸkmehlen. Foto: Dr. Michael Damme

GroรŸkmehlen:
Der Ort Chemel`n (Ort wo Hopfen wรคchst) wird schon um 1200 genannt. Das heutige SchloรŸ, eine imposante Renaissanceanlage, war im Ursprung eine mitteldeutsche Wasserburg und wurde vom 15. Jahrhundert bis ins 18.Jhd., das ist die lange Besitzzeit der Familie von Luฬˆttichau, erweitert. Im Inneren sind vor allem bedeutende Stukkaturen, vermutlich von italienischen Kuฬˆnstlern aus der zweiten Hรคlfte des 17. Jhd. bis heute erhalten. 1945 unter die Bodenreform gefallen, diente das SchloรŸ ab 1950 als Alten- und Pflegeheim sowie zu landwirtschaftlichen Zwecken. Seit 1998 erfolgte eine umfassende Sanierung durch die Brandenburgische Schlรถsser GmbH. Zum Gesamtbild der SchloรŸanlage gehรถrt der 400 Jahre alte, 4 Hektar umfassende Park mit dem Lusthaus aus dem 17.Jahrhundert. Ortsbildprรคgend ist auch die nahe dem SchloรŸ befindliche evangelische Dorfkirche aus der 2. Hรคlfte des 15. Jhd., die 1617 mit dem Westturm und um 1720/30 durch zweigeschossige Anbauten zur Kreuzform erweitert wurde. Dicht dabei das Pfarrhaus des 16. Jhd. mit seinem FachwerkobergeschoรŸ von 1717.