Bernd Fenk wurde 70

Geburtstags-Laudatio zum 14. Juli 2012

Von der Saale รผber den WeiรŸen Hirsch nach Wehlen

Vermutlich murmelten die Wasser der Saale leise am 14. Juli, als vor mehr als 200 Jahren knapp 1000ย Kilometer westlich der Ruf erscholl: โ€žAux armes, citoyensโ€ und mit dem Sturm auf die Bastille die Geburtswehen einsetzten, die am Ende die bรผrgerliche Republik hervorbrachten โ€“ eine Geburtsstunde, der Frankreich noch heute stolz gedenkt an seinem Nationalfeiertag.

Vermutlich schlugen auch 223 Jahre spรคter leichte Wellen an der Saale hellem Strande, genau an diesem 14. Juli 1942, als Bernd Fenk zur Welt kam. Er ist mit so zahlreichen Gaben bedacht, dass er uns heute vor die Frage stellt:

Wem gratulieren wir zuerst zum Geburtstag?

โ€“ dem gelernten Schriften- und Dekorationsmaler?

Er trat mit dieser Berufswahl in die FuรŸstapfen seines Vaters, da ihm als โ€žKapitalistenkindโ€ ein Studium verwehrt blieb, bis 1958 alle Handwerker durch die Kollektivierung in PGHs zu produzierenden Genossenschaftlern wurden. Nun, รผber Nacht zumย  Arbeiterkind โ€žgeadeltโ€, konnte er das versรคumte Abitur 1962 an der ABF nachholen.

โ€“ dem studierten Chemiker?

Die Freiheit zu studieren fรผhrte nicht zum Wunschstudium Malerei/Grafik, das nahelag, denkt man an die vielen Stunden, die der jugendliche Bernd in der Werkstatt seines Vaters verbrachte, sehend, zeichnend, mitarbeitend โ€“, doch: โ€žKรผnstler gibt es zu viele in der DDR โ€“ย  Chemiker werden gebraucht.โ€ Also Chemiker, und der blieb er in der Erforschung und Entwicklung von Umweltschutztechnologien fรผr die Industrie bis 2002.

โ€“ dem Restaurator und Denkmalpfleger?

Er war Restaurator von Naumburger Baudenkmรคlern, und er restaurierte das 1986 erworbene Fachwerkhaus in Dorf Wehlen, die ehemalige Fleischerei.

Was das gesamte Anwesen, das 2005 offiziell bezogen wurde, ausstrahlt, ist Bernds glรผckliche Hand in allen Dingen. รœber die Jahre durften wir als gelegentliche Besucher das Wachsen dieses Ensembles bewundern, die unterschiedlichsten Entwicklungsstadien: mit welchem Zartgefรผhl alte Substanz in neue Funktionalitรคt eingebunden wird, wie jahrhundertealte Patina sich mit Neuem verbindet, wie ein Hof alles Schwere abwirft und sich zu einem Ort der Kreativitรคt wandelt, zum Treffpunkt der Freunde, die hier in anregenden, in streitbaren, immer unvergesslichen Stunden zusammenkamen und zusammenkommen.

โ€“ dem Gรคrtner?

Blumenduft und zartes Grรผn mรผssen ihn schon vom ersten Lebensimpuls umweht haben, als seine Mutter, Blumenbinderin von Beruf, Schรถnheit und Natรผrlichkeit in StrรคuรŸe band.

Besuchen wir Bernd heute, sind wir begeistert vom รผppigen Grรผnen und Blรผhen in seinem Garten. Noch auf dem schmalsten Fenstersims haben auch exotische Zรถglinge Platz zum Gedeihen. Das kann man nicht wollen, das muss eine tief verwurzelte Liebe zum Werden sein, die sich hier artikuliert.

โ€“ dem Koch?

Wo man in Dorf Wehlen unter Malven, Kirschbaum und Bambushorsten schwelgt, wo feinste Dรผfte von Pasteten, Wildschwein am Grill oder von Kuchen und selbstgemachten Konfitรผren durch Haus und Garten wehen, weiรŸ kaum keiner, wie gefรคhrdet Bernds Kochkรผnste waren durch frรผhe verheerende Prรคgungen in seinem Leben als junger Mann. Hรคtten doch,ย  als er den Saalestrand in Naumburg gegen den Elbhang tauschte, die Kochgewohnheiten seiner Mitbewohner in seiner ersten eigenen Wohnung, der โ€žKommodeโ€, dem Armenhรคuschen aus der ehemaligen lรคndlichen Bebauung der Sonnenleite auf dem WeiรŸen Hirsch, abschreckende Wirkungen entfalten kรถnnen. So zum Beispiel, wenn der alte Herr Leubert auch in pilzarmen Zeiten รผppige Pilzgerichte bereitete und dabei fast das Haus abfackelte. Oder wenn der Eisenbahner im Rausch seine Suppenknochen zum Glรผhen brachte. Vielleicht aber rettete ihn die Kohlenmarie, die von der Schwesternquelle im Stechgrund ihr Badewasser in OMO-Eimern herbeischleppte โ€“ tรคglich! โ€“, das wohl notfalls zum Lรถschen der Kochbrรคnde hรคtte herhalten kรถnnen.

โ€“ dem Galeristen?

Seit 2006 fรผhrt er in Wehlen die Produzentengalerie โ€žMalvaโ€ย  zur Prรคsentation eigener Arbeiten und der befreundeter Kรผnstler โ€“ so zum Beispiel von Volker Lenkeit, Gudrun Nรผtzenadel, Dieter Luft โ€“ und anderen Gรคsten. Das Schicksal wollte es so, dass ihm zufiel, was seiner Partnerin zugedacht war. Renate musste zu frรผh Abschied von dieser Welt nehmen. Die Galerie โ€“ die ihre โ€žKรผrโ€ werden sollte nach der Pflicht der Berufsjahre โ€“ lebt nun weiter mit Bernd. Seine Ausstellungserรถffnungen geraten zu Festen der Begegnung, des Kunst- und auch des kulinarischen Genusses. Und nicht zu vergessen โ€“ bereits die Einladungen sind Originale.

โ€“ und schlieรŸlich: Gratulieren wir dem Maler und Grafiker?

Dem Maler, der schon als 12-Jรคhriger im vรคterlichen Betrieb mitwirkte; der im Chemiestudium Zuverdienste durch Dekorationsmalerei fรผr studentische Feste erwarb; der den Malzirkel im Schreibmaschinenwerk auf der Hamburger StraรŸe leitete und sich seit 1985 โ€žEinzelschaffender Volkskรผnstlerโ€ nennen durfte und der รผber die Spezialschuleย  Malerei/Grafik in Rammenau und รผber Abendkurse an der HfBK das wurde, was er schon immer war: ein Kรผnstler.

In Malerei, Radierungen, Holzschnitten und Objekten artikuliert sich seine Kunst. Die umliegenden Steinbrรผche inspirierten ihn zu den groรŸen Stein-Bildern, Reisen in Europas Sรผden und besonders nach ร„gypten zu thematischen Arbeiten, z. B. zu den โ€žGรถtternโ€.

In der Kunstausรผbung greift er zurรผck auf seine โ€žAlchimistenโ€-Zeit, wenn er aus Sanden, Erden, Steinen Pigmente gewinnt. Selbst Papiere schรถpfen und fรคrben und mit ihnen collagieren โ€“ diese Handschrift ist einmalig. So findet der Chemiker in die Kunst und schafft der Kรผnstler die Synthese von Ratio und Imagination.

Die aktuelle Ausstellung โ€žVon Wassern und Gesteinโ€ zeigt Bernd Fenks Arbeiten in der Radfahrerkirche Stadt Wehlen (noch bis zum 20. August zu sehen). Seine Bilder spiegeln, was wir fรผr die Essenz seines Lebens erachten kรถnnten: hell โ€“ dunkel, flieรŸend โ€“ statisch, anorganisch โ€“ organisch.

Lieber Bernd, wir wรผnschen Dir und uns noch viele Jahre gemeinsamen Erlebens von Gestein und Wassern โ€“ von Werden und Sein.

Herzlichen Glรผckwunsch!

Klaus Liebscher (Radebeul)