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30 Jahre Elbhang-Kurier
Was erwarte ich vom ยปSprachrohr und der Wissensquelleยซ, vom ยซElbhang-Kurierยป, fรผr die nรคchsten Jahre?
Eine kurze Reflexion nach 30 Jahren EHK
Ein Redaktionsmitglied, Dieter Fischer, sprach mich an mit der Frage, ob denn ich bereit wรคre,
anlรคsslich des 30-jรคhrigen Bestehens des Print-Mediums EHK (herausgegeben seit April 1992) einen
Beitrag zum Jubilรคum im April 2022 zu schreiben.
Dieses Anliegen erstaunte mich insofern, als der Redaktion lรคngst bewusst ist, wie distanziert und kritisch ich dieser Lokal-Publikation gegenรผber stehe. Andererseits interpretierte ich die Bitte um meine Haltung als reizvoll und erkannte, dass vermutlich der Redaktion durchaus an konstruktiv-kritischem Diskurs gelegen zu sein scheint, weil dies ja bereits im Terminus ยปKurierยซ (Bote) fundiert ist: รberbringen einer Nachricht, einer Botschaft.
Und dies kann neben der Rรผckschau auf Vergangenes (Geschichte) doch nur bedeuten, sich nach dem
temporรคren Blick in den historischen Rรผckspiegel dann baldmรถglichst der Gegenwart zu stellen, um in
erforderlicher Weise Zukรผnftiges in den verantwortungsvoll-aufmerksamen Blick zu nehmen.
In der DNN vom 25.05.2017 wurde zum 25. Jubilรคum des EHK u.a. konstatiert, geradezu gefordert::
ยปAls am 4. April 1992 die erste Nummer des โElbhang-Kuriersโ erschien, wurde sie auf dem Schiller-
und Kรถrnerplatz an Passanten verteilt, von einer Pferdekutsche herab und aus einem nostalgischen
dreirรคdrigen Gefรคhrt (…) Dabei soll die Intention der Zeitschriften-Grรผndung nicht vergessen werden.
Mit dem Elan der Bรผrgerbewegung der Wende- und frรผhen Nachwendejahre sollte endlich ein
Organ entstehen, das der Wahrheit verpflichtet ist und in dem sich die aufmรผpfigen
Elbhangbewohner wiederfinden. Nicht zuletzt spielte dabei auch der Wiederaufbau der barocken
Kirchen in Loschwitz und Pillnitz eine groรe Rolle. Selunka (Pfarrer i.R.) erinnerte daran, dass Bรผrger die Rettung der Weinbergkirche Pillnitz erzwungen haben.ยซ
Eine treffsiche Vorlage fรผr meine nicht aufzugebende Ansicht, was print-medialer Journalismus
leisten sollte, eben und also auch am Elbhang, um nicht zu sagen zum NachDenken anbieten mรผsste:
Mit der Erinnerung an die praktizierten Bรผrgerbewegungen (Rรผckblick) hier im Osten Dresdens
(Friedlicher Herbst 1989 – Keine Gewalt / Dialog / Aufbruch / Engagement) sollten uns allesamt
gegenwรคrtig umgebende, uns bewegende Realitรคten unserer nicht mehr ganz so stabilen Demokratie
ermutigen, diese zu thematisieren, sie aufzuzeigen, um zu verรคndern, wo dies notwendig ist
(Gegenwart). Allein zum Thema Wahrheit fiele mir eine Menge ein (Was ist Wahrheit ? / Pilatus).
Wir leben hier in einer gewachsenen, einzigartigen Natur-, Kultur-, von Kunst- und Wissenschaft
geprรคgten Landschaft, jedoch nicht im Tellkamp ฬschen Sinne in einem (Elfenbein-)ยปTurmยซ, sondern
mitten in einer sich politisch, sozial, bรผrgerschaftlich verรคndernden Gesellschaft. Und es wird immer
deutlicher, wie wichtig und belebend der Diskurs ist in einer sozio-medialen Welt, in der Wahrheit zur
Unwahrheit wird und Andersdenkende diffamiert werden, auch hier am so gesegneten vielerlei
gepriesenen Elbhang. Dass die Welt nicht mehr die von gestern ist, macht uns die derzeitige
Katastrophe โ ein Krieg in Europa โ in erschreckender Weise รผberdeutlich!
Sprachrohr und Wissensquelle โ so sei es!
Mir, und nicht nur mir (!), wรคre es an der Zeit, dass der EHK, neben all den interessanten,
aufklรคrenden Historienquellen und ausfรผhrlichen Beschreibungen des lokalen Gewesenen (Rรผckblick)
in den monatlichen Ausgaben Raum und Zeit schafft, Beitrรคge zu publizieren, die sich mit
Gegenwรคrtigkeiten (an denen wir hier wahrlich nicht vorbei kรถnnen) auseinandersetzen und zum
Austausch untereinander anregen. Die etwas sparsamen, auf gelegentliche kritische Beitrรคge (z.B. HP
Lรผhr, P. Kaiser, S. Dagen) reagierenden Leserbriefe, gedrรคngt auf die letzte Seite, erschรถpfen sich
allein schon durch die Reduktion auf das Minimale.
Ich wรผnsche mir zukรผnftig ein qualitรคtvoll publizistisches Podium im EHK, welches Platz bietet, in
angemessenem Umfang zeitorientierte Themen, denen wir uns neben Historischem widmen sollten, zu
debattieren, wozu bestenfalls selbstverstรคndlich Experten aus Politik, Theologie, Soziologie und
Umwelt zu Wort kommen sollten (einige davon leben am Elbhang).
Damit, so mutmaรe ich, wรผrde der EHK inhaltlich ein breiteres und heterogeneres Spektrum fรผr alle
Bรผrger dieser unserer Elbhang-Landschaft werden kรถnnen und sich noch weiter รถffnen fรผr die gelebte
Vielfalt, die wir doch allesamt so gern postulieren.
Dem Elbhang-Kurier wรผnsche ich viel Gutes und Mut zur Herausforderung.
(Jochen Flade; 18.03.22)