Von August Lingner zu Wilhelm Ostwald

Wie aus einer ersten Annรคherung ein Vermรคchtnis wurde

Wie in der Tagespresse zu lesen war, hat die neu gegrรผndete Gerda und Klaus Tschira Stiftung (Heidelberg) am 1. Januar die praktische und finanzielle โ€žSchirmherrschaftโ€œ fรผr den einstigen Wohn- und Arbeitsort des Chemie-Nobelpreistrรคgers (1909) Wilhelm Ostwald in GroรŸbothen bei Grimma รผbernommen. Damit ist offensichtlich der Fortbestand des dortigen Museums und der damit verbundenen โ€žBegegnungsstรคtte fรผr Wissenschaftler und Laienโ€œ gesichert.

Ostwald (links) und Lingner konnten sich hinsichtlich ihres รถffentlichen Ansehens (und ihres Bartes) auf โ€žAugenhรถheโ€œ begegnen. Wahrscheinlich verband sie auch ihre Neigung zum hรคuslichen Musizieren, die von beiden รผberliefert ist. (Foto links: Sรคchsische Zeitung/Jรผrgen Lรถsel, Foto rechts: Deutsches Hygiene-Museum/Repro Werner Lieberknecht; beide Fotos aus: Walter A. Bรผchi, Biografie Karl August Lingner, 2006)
Ostwald (links) und Lingner konnten sich hinsichtlich ihres รถffentlichen Ansehens (und ihres Bartes) auf โ€žAugenhรถheโ€œ begegnen. Wahrscheinlich verband sie auch ihre Neigung zum hรคuslichen Musizieren, die von beiden รผberliefert ist.
(Foto links: Sรคchsische Zeitung/Jรผrgen Lรถsel, Foto rechts: Deutsches Hygiene-Museum/Repro Werner Lieberknecht; beide Fotos aus: Walter A. Bรผchi, Biografie Karl August Lingner, 2006)

Gerda und Klaus Tschira in Dresden und GroรŸbothen

Der erfolgreiche SAP-Mitbegrรผnder, Mรคzen und Fรถrderer Klaus Tschira hatte sich bekanntlich 2001/2002 fรผr das Areal des Dresdner Lingnerschlosses interessiert und engagiert (u. a. mit dem Projekt eines Glas-Stahl-Betonkomplexes โ€žDoppelhelixโ€œ im denkmalgeschรผtzten Lingnerpark), sich aber โ€žaus wirtschaftlichen, steuer- und stiftumngsrechtlichen รœberlegungenโ€œ und auf Grund von Protesten einer damaligen โ€žBรผrgerinitiative Lingnerparkโ€œ wieder zurรผckgezogen (siehe Elbhang-Kurier 5/2002).

Das lรถste seinerzeit kontroverse Diskussionen aus, in deren Folge sich schlieรŸlich der bis heute aktive โ€žFรถrderverein Lingnerschloss e. V.โ€œ unter dem Vorsitz von Dr. Peter Lenk etablierte. Seitdem haben sich Klaus und Gerda Tschira in Dresden (u. a. im Hygiene-Museum) und Sachsen fรผr weitere wissenschaftliche und รถffentliche Vorhaben eingesetzt, auch unter Nutzung ihrer Erfahrungen bei der Etablierung eines Carl-Bosch-Museums in Heidelberg (C. Bosch war ebenfalls Chemie-Nobelpreistrรคger). Dem nun vollzogenen โ€žUmzugโ€œ vom Elbhang ins Muldental ging die Mitgliedschaft von Gerda Tschira in der nach 1990 gegrรผndeten โ€žWilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu GroรŸbothen e. V.โ€œ voraus. Wie bisher soll nun das dortige parkartige Sieben-Hektar-Gelรคnde vor allem durch Frau Tschiras Engagement โ€žein Refugium fรผr Tagungen und Denkzeitenโ€œ werden.

Ob den heutigen Akteuren bewusst ist, dass sich der Dresdner Unternehmer, โ€žOdolkรถnigโ€œ und Wohltรคter Karl August Lingner (1861 โ€“ 1916) und der Chemieprofessor und Nobelpreistrรคger Wilhelm Ostwald (1853 – 1932) sehr nahe standen? Ostwald gehรถrte รผber Jahre dem Aufsichtsrat der Lingner-Werke an; Lingner gewรคhrte ihm auรŸerdem einen opulenten Beratervertrag. In seiner Lingner-Biografie (siehe Elbhang-Kurier 3/2007) weist Walter A. Bรผchi auch auf andere Bezรผge hin. รœber โ€žFamiliรคresโ€œ dรผrften sich die Beiden allerdings kaum ausgetauscht haben; aus dem โ€žHauseโ€œ Lingner ist nur Tochter Lotti รผberliefert, wรคhrend Ostwald mit Ehefrau Helene von Reyher (1854 – 1946) fรผnf Kinder und neun Enkel hinterlieรŸ.

Bis heute sind eine Urenkelin und deren Tochter dem Ostwaldschen โ€žLandhaus Energieโ€œ und dem zugehรถrigen Umfeld in GroรŸbothen aufs Engste verbunden. Resรผmiert man Ostwalds vielschichtiges Lebenswerk und Tschiras innovative Vorstellungen, kรถnnte auch gelten: โ€žDie Zukunft hat schon begonnenโ€œ. War es doch Ostwald, der Mitbegrรผnder der Physikalischen Chemie, der bereits um 1900 โ€ždie Sonne als die Energiequelle der Zukunftโ€œ definierte. Vielleicht kรถnnen diesbezรผgliche Gedanken eines Tages mitten im GroรŸbothener Park in einer maรŸvoll dimensionierten โ€žDoppelhelixโ€œ weitergefรผhrt werden … ?