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Wir erinnern …
ย โฆ an ROSA PETZEL, die von 1899 bis 1912 in Loschwitz als Malerin und Kinderbuchautorin lebte

Foto: Archiv
Rosalie Henriette Petzel erblickte am 21. April 1831 in Schollene bei Rathenow in der damaligen Provinz Brandenburg das Licht der Welt. Sie war die zweitรคlteste Tochter des dortigen Pastors Friedrich Wilhelm Petzel (1802-1874) und seiner Ehefrau Wilhelmine, geb. Lentze (1802-1885). Gรผtig und christlich streng erzogen, begann sich bei ihr schon in jungen Mรคdchenjahren der Wunsch zu regen, einmal eine geachtete Malerin zu werden. Mit ihren beiden Schwestern Minna und Marie nutzte sie alle erdenklichen Mรถglichkeiten wie Schiefertafeln, Tischplatten und Fuรbรถ-den, um ihr angeborenes Talent anzuwenden. Ihr Vater, selbst ein befรคhigter Maler und Zeichner, unterstรผtzte sie dabei sehr. Fรผr privaten Malunterricht, damals fรผr Frauen die einzige Mรถglichkeit zur Realisierung dieses Berufswunsches, fehlte aber in dem armen Pfarrhaushalt das erforderliche Geld.
Da kam ihrer Mutter eine geniale Idee. Der Bedarf an lehrsamer und sittenstrenger Literatur fรผr junge Mรคdchen war damals sehr groร, warum sollten sich die drei Schwestern gemeinsam mit der Mutter nicht in dieser Richtung versuchen. Ihr erstes Ergebnis war 1850 unter dem Pseudonym Gotthilf Rosen die Erzรคhlung โDer Weihnachtshimmelโ. Der bekannte und versierte Kritiker der Vossischen Zeitung, Ludwig Rellstab, hatte das Manuskript begutachtet und wรคrmstens zur Herausgabe empfohlen. Der Erlรถs fรผr diese Mรผhe betrug volle 40 Taler und 12 Freiexemplare. In spรคteren Jahren erschie-nen noch viele Geschichten, Romane, Gedichte und Erzรคhlungen, zum Teil unter dem Pseudonym Martin Claudius, verรถffentlicht bei verschiedenen Verlagen oder auch in Periodika wie dem โTรถchteralbumโ und โHerzblรคttchens Zeitvertreibโ. Beide Jugendzeitschriften wurden herausgegeben von der in Dresden lebenden Thekla von Gumpert. Bis 1874 schriftstellerte Rosa regelmรครig. Die beiden Schwestern, spรคter Lehrerinnen, schrieben noch bis kurz vor ihrem Tod entweder unter Pseudonym oder unter ihren richtigen Namen.
Mit dem durch das Schreiben erworbenen Geld konnte sich Rosa Petzel privaten Malunterricht in Berlin bei dem bekannten Maler Professor Julius Schrader leisten. Bald jedoch merkte sie, daร es mit diesen teuren und wenigen Stunden nicht ausreichen wรผrde, einmal beruflich als Portrรคtmalerin tรคtig sein zu kรถnnen. Entmutigt und auf einen Fingerzeig Gottes hoffend, kehrte sie 1851 in das neue Pfarrhaus nach Schollene zu ihren Eltern zurรผck. Hier waren bei einem verheerenden Brand im Jahre 1848 das ganze Dorf, die Pfarre und das Gotteshaus vรถllig vernichtet worden. Inzwischen konnte aber der Vater wieder in der 1849 neu errichteten und noch heute vorhandenen Kirche predigen.

Foto: Archiv
Auch fรผr Rosa รคnderte sich das Leben plรถtzlich durch eine Fรผgung. Ihre Eltern waren mit der Inspektorenfamilie Bellin auf dem Gute Schรถnhausen in der Nรคhe von Schollene befreundet. Der spรคtere Reichskanzler Fรผrst Otto von Bismarck, damals Bundesgesandter in Frankfurt a.M., suchte zur Restaurierung und zum Kopieren von wertvollen Ahnenbildern seiner Familie einen Maler. Auf Hinweis seines Inspektors fiel die Wahl auf die junge Rosa Petzel und in zweijรคhriger Tรคtigkeit konnte sie โeinen ganzen Leiterwagen voller Bildnisseโ bearbeiten. Mit diesem Verdienst gab es nun endlich die Mรถglichkeit, weiteren Malunterricht zu nehmen. Ihre spรคteren Lehrer waren solche bekannten Kรผnstler wie Oscar Begas und Gustav Richter in Berlin, Ferdinand Pauwels in Weimar und Gustav Flรผggen in Mรผnchen. In der Dresdner Gemรคldegalerie kopierte sie fleiรig die Meisterwerke der Antike, in Mรผnchen studierte sie die Schule Pilotys und in Weimar baute sie Kontakte zum Direktor der Groรherzoglichen Kunstschule Stanislaus von Kalckreuth auf. Ihr groรes Maler-vorbild und Persรถnlichkeitsideal aber war Angelika Kaufmann. Als nach einer schweren Erkrankung zur Genesung vorรผbergehend ein wรคrmeres Klima nรถtig war, wurde auch der Jugendtraum Wirklichkeit. Rosa ging fรผr zwei Jahre nach Italien und studierte in Rom und Florenz die groรen Kรผnstler.
Das dort begonnene รlgemรคlde โKreuztragender Christusโ beendete sie in Berlin. Dieses Bild und ein Portrรคt ihres Vaters (Pastor in Schollene von 1826-1874) hรคngen heute in der Schollener Kirche. Zurรผck in der Heimat in Berlin ansรคssig und als Portrรคtmalerin tรคtig, gehรถrte Rosa 1866/67 zu den Grรผnderinnen des Vereins der Kรผnstlerinnen und Kunstfreundinnen, einer der ersten Organisationen fรผr Frauen in diesem Beruf. 1869 erschien ihr erstes Portrรคt auf der Groรen Berliner Ausstellung (spรคtere Groรe Berliner Kunstausstellung). Bis kurz vor ihrem Tod malte sie regelmรครig und stellte auch hรคufig ihre Werke aus, insgesamt schuf sie 612 Portrรคts in รl oder Pastell. Sie war bekannt und beliebt, ihre Kunden kamen aus Adelskreisen und wohlhabenden Bรผrgerhรคusern des ostelbischen Deutschlands.
Ein Leben lang unverheiratet wie ihre beiden Schwestern, war sie ein unruhiger Geist und wechselte hรคufig ihren Wohnort. Als Alterssitz fรผr sich, die Schwestern und ihre Mutter lieร sie von Karl Eduard Kurth in Weimar auf der heutigen Steubenstraรe 35 die vornehme Villa โRosaโ mit Atelier erbauen (ab 1888 im Besitz des Stadtrates Rudolph Grosch). Aber bereits 1883 kehrte Rosa nach Berlin auf die Yorckstraรe 85 zur Miete zurรผck. Als sie dort ihr 500. Portrรคt vollendet hatte und es ihr und den beiden Schwestern in Berlin zu laut und unruhig wurde, tauchte die Idee auf, sich an unserem schรถnen Loschwitzer Elbhang niederzulassen. Durch vorherige Kuraufenthalte in Lahmanns Sanatorium kannte sie diese Gegend sehr gut.
1889 bis 1893 hatte sich der Loschwitzer Bauunternehmer Ernst Heinrich Metzner zu seinem Grundstรผck Ferdinandstraรe (heute Berglehne 1 mit glรคsernem Fahrstuhl) zwei Zufahrtsstraรen in U-Form als Heinrichstraรe (heute oberer Teil der Sonnenleite und Oskar-Pletsch-Straรe) bauen lassen. Die frรผheren Obstbaumwiesen auf diesem Plateau unterhalb des uralten Riรweges waren damit zu lukrativen Villenbauplรคtzen geworden. Die Parzelle 466 f, heute Sonnenleite 31, war 1893 nach beendetem Straรenbau von Baumeister Ernst Emil Seifert fรผr 4.400 Mark vom Maurerpolier Gustav Teich erworben worden. Zu einem Hausbau kam es bis 1898 nicht. Rosa Petzel erwarb das Grundstรผck bereits als fรผnfte Kรคuferin seit der Straรenerรถffnung 1893 von der Blasewitzer Schneiderin Ida Hedwig Rosche fรผr 18.000 Mark – ein Beweis fรผr Bodenspekulationen schon in der damaligen Zeit.

Foto: Archiv
Endlich wurde 1899 nun Rosas Alterstraum war. Sie und Ihre Schwestern zogen in die von Baumeister Kurt Diestel errichtete Schweizerhausvilla โSonnenscheinโ ein. Noch weitere 112 Portrรคts entstanden hier im Atelier in der ersten Etage. Ihre sieben Nichten und Neffen aus der Ehe des รคltesten Bruders Wilhelm waren hรคufig Gรคste im Haus. Sonst lebten die drei alten Damen mit ihrem Hausmรคdchen sehr einsam und zurรผckgezogen, bis 1904 der Tod die รคlteste Schwester Minna von ihnen nahm. Am 4. Juni 1911 steht als letzte Eintragung in Rosas Tagebuch: โWieder hรคngt der Himmel voller Wolken! Meine Schwester Marie und ich sind sehr alt geworden und blicken zweifelnd in eine dunkle Zukunft. Lieber Herr und Gott, fรผhre uns den rechten Weg. Gib uns in die Seele, welche Weg der Rechte ist und sei uns gnรคdig!โ
Rosa Petzel war sehr schwer erkrankt. Auf dringende Bitte des Arztes lieร sie sich erst operieren, nachdem alle angefangenen Portrรคtbilder fertiggestellt waren. Nach der Operation erholte sie sich nur sehr langsam und muรte monatelang im Krankenhaus bleiben. Als es ihr besser ging, regte sich plรถtzlich die Sehnsucht nach Weimar, wo sie glรผckliche Tage mit der Mutter und den Schwestern verlebt hatte. Die Villa โRosaโ war ja dort bereits verkauft worden, man hatte aber eine Wohnung in der Wildenbruchstraรe 23 gemietet und den Umzug auf den 1. April 1912 festgelegt. Am 27. Mรคrz wollte Rosa mit ihrer Schwester Marie abfahren. In den Morgenstunden dieses Tages setzte jedoch ein Schlaganfall ihrem Leben ein Ende. Marie Petzel zog nach Weimar um und verstarb dort 1918. Ihre Erben verkauften die Villa โSonnenscheinโ in Loschwitz im Jahr 1919 an den Architekten Karl August Max Klotzsche (1865-1932), der sie umbaute und im Besitz von dessen Nachfahren sie sich heute noch befindet.
Rosa Petzel wurde neben ihrer Schwester Minna auf dem Waldfriedhof Weiรer Hirsch beigesetzt, das Grab bis 1952 verlรคngert und 1961 von der Familie Pfarrer Schnauร neu belegt. So endete diese nur 13 Jahre wรคhrende Schaffensperiode einer geachteten und talentierten Kรผnstlerin, die damit unvergรคngliche Spuren in unserer schรถnen Elbhanglandschaft hinterlassen hat.
Rosa Petzel fand nun endlich auch den verdienten Einzug in den zweiten Band โKรผnstler am Elbhangโ. Die dort aufgefรผhrten kurzen Daten mit etwas mehr Details aus einem reich erfรผllten Leben zu ergรคnzen, soll das Anliegen dieses Beitrages sein.
Michael Mothes