Anstelle einer Rezension: Eine Migrantin reitet in Blasewitz

Zum โ€žRequiem fรผr Europaโ€œ im Kleinen Haus der Staatstheater

Als die Sรคchsischen Staatstheater vor Monaten Franz (und Paul) von Schรถnthans Komรถdie โ€žDer Raub der Sabinerinnenโ€œ mit allen schauspielerischen und bรผhnentechnischen Mitteln inszenierten, stand plรถtzlich auch Blasewitz auf den Brettern, die die Welt bedeuten (รผbrigens โ€žZum letzten Malโ€œ am Silvesterabend 2016 im โ€žGroรŸen Hausโ€œ), denn die Autoren hinterlieรŸen einst auf der Goetheallee 24 eine prunkvolle Villa (siehe auch den Beitrag im ELBHANG KURIER Mรคrz 2016).

โ€žRequiem fรผr Europaโ€œ

Jetzt tangiert eine Inszenierung im โ€žKleinen Hausโ€œ erneut das Blasewitzer Revier. Wie in den Konzertsรคlen auch, brachte das Staatsschauspiel Anfang November ein Requiem heraus. โ€žRequiem fรผr Europaโ€œ heiรŸt das vom kroatischen Autor Oliver Frlijฤ‡ geschriebene und wenige Wochen nach dem โ€žBrexitโ€œ in Dresden uraufgefรผhrte Theaterstรผck, das zwar nicht in Blasewitz spielt, aber im Prgrammheft auf die auf einem Stier reitende (oder fliehende?) phรถnizische Kรถnigstochter Europa Bezug nimmt โ€“ zwei altertรผmliche Bilder aus dem 16. Jahrhundert sollen das verdeutlichen.

Leider haben die Dresdner Theatermacher diesmal keinen Spaziergang nach Blasewitz unternommen; andernfalls hรคtten sie wahrnehmen kรถnnen, dass dort โ€žmitten im Dorfโ€œ die aktuell-antike Europa รผber den Kรถnigsheimplatz reitet โ€“ seinerzeit modelliert vom Blasewitzer Bildhauer Georg Wrba.

An diesem Monument fahren oder laufen tรคglich Tausende Dresdner vorbei. Das sollten auch die Theaterleute nicht ignorieren. In diesen Wochen und Monaten der populistischen โ€žEuropa-Skepsisโ€œ kรถnnte der Kรถnigsheimplatz mit seiner symboltrรคchtigen Europa-Brunnenanlage der Dresdner Treffpunkt jenseits von Pegida, Brexit oder Nationalismus sein, zumal in der jetzigen Theaterspielzeit, in der โ€ždie Idee, Europa zu einem zentralen Themaโ€œ zu machen, Programm ist.

Hier kรถnnten die Texte des vorzรผglichen Programmheftes vorgelesen oder deklamiert werden, die u. a. aus der Feder von Franz Kafka, Hermann Hesse, vom Dortmunder Politik-Professor Dierk Borstel (โ€žDresden โ€“ die Avantgarde Europas?โ€œ) oder auch von der Dresdner Chefdramaturgin Beate Heine stammen. Es gibt also viel zu sehen โ€“ und zu lesen โ€“ im โ€žKleinen Hausโ€œ, wieder am 15. und 21. Dezember, und jeweils โ€žim Anschluss Tischgesprรคcheโ€œ.

1922 vollendete Georg Wrba (1872 โ€“ 1939) am Blasewitzer Kรถnigsheimplatz diese Bronzeplastik, die 1995 nach den Kriegszerstรถrungen erneuert wurde. Foto: Jรผrgen Frohse
1922 vollendete Georg Wrba (1872 โ€“ 1939) am Blasewitzer Kรถnigsheimplatz diese Bronzeplastik, die 1995 nach den Kriegszerstรถrungen erneuert wurde.
Foto: Jรผrgen Frohse

Nachtrag zum Thema:

Am Sonnabend, 10. Dezember, 18 Uhr kommt Dr. Martin Roth (ehemals Dresden, jetzt London) ins โ€žKleine Hausโ€œ, um mit anderen รผber das Thema โ€žWohin treibt Europaโ€œ zu diskutieren.