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Der Alligator auf der Veranda
Zwischen 1913 und seinem Lebensende 1942 betrieb Georg Gerlach eine Zucht seltener Tiere โ Reptilien, Vรถgel, Fische โ auf der Grundยญstraรe 40 in Loschwitz.

Foto: Sammlung Gerlach
Georg Gerlach (geb. 8. September 1880 in Leipzig) fand schon in frรผhen Kindertagen seine groรe Liebe zu Tieren, da sein Vater ein anerkannter Vogelzรผchter war. Mit 18 Jahren hatte er bereits einen Ruf als Molchzรผchter (meiner Kenntnis nach zรผchtete er spรคter auch einen molchi gerlachii) und berichtete in Fachblรคttern รผber seine Erfahrungen und Erfolge bei der Aufzucht seiner vielen verschiedenen Tiere. Sein besonderes Spezialgebiet waren die Molche und so wimmelten in 50 kleinen und groรen Glasbecken Molche aller Art. Der Schwertschwanzmolch (Cynops ensicauda) von den sรผdjapanischen Inseln wurde von ihm erstmalig in Europa gezรผchtet. Seit 1930 laichte dieser regelmรครig. Er kann in Gefangenschaft bis zu 25 Jahre alt werden.
Georg Gerlach pflegte neben wertvollen Tropenfischen, Seepferdchen, Lurchen, Molchen, Feuersalamandern, Spinnen, Schildkrรถten (siehe auch das Foto mit der Riesen-Schildkrรถte) z. B. auch einen Mississippi-Alligator (siehe Titelseite), der sehr zahm war. Seine Lรคnge erreichte nach etwa 15 Jahren stolze 1,15 Meter. Bei ihm und seiner Ehefrau Meta, die seine Tierliebe mit Interesse und Verstรคndnis fรผr seine Neigung teilte, lebte auch 45 Jahre lang ein Papagei (Lora), zwei kleine zwerghafte Pinselohrรคffchen (braยญsilianische Marmosetรคffchen) und jahrelang ein wunderschรถner russischer Windhund.

Foto: Sammlung Gerlach
Durch Artikel in entsprechender Literatur, in denen er wertvolle persรถnliche Beobachtungen und Erfahrungen schilderte, wurde er bekannt mit dem seit 1900 im Naturwissenschaftlichen Museum Magdeburg tรคtigen Kustos, Herrn Dr. Willy Wolterstorff, der auch der Herausgeber der โBlรคtter fรผr Aquarien- und Terrarienkundeโ war. Die Blรคtter werden noch heute im Internet von Liebhabern gesucht. Es entwickelte sich eine herzliche Freundschaft zwischen den beiden Mรคnnern und weiteren wissenschaftlichen Mitarbeitern des Museums.
Im โDresdner Anzeigerโ wurde 1911 Gerlachs Abhandlung รผber โFische auf der Welt-Hygiene-Ausstellung 1911โ verรถffentlicht. Daraufhin bekam Georg Gerlach von Dr. Lingner โ dem Initiator der Ausstellung โ fรผr seine wissenschaftliche Mitarbeit eine Erinnerungsplakette, die leider nicht mehr in unserem Besitz ist. Das entsprechende Anschreiben mit der Unterschrift Lingners existiert aber noch.

Foto: Slg. Hoffmann (Coburg)
Den Maler Robert Langbein, geb. 1864 in Meuรelwitz, hat Georg Gerlach ebenfalls gut gekannt. Wir sind im Besitz einer Original-Radierung/Kupferstich von 1912 von Schloss Hohnsteinย โ mit Widmung fรผr Georg Gerlach. 1913 zog er mit seiner Familie auf die Grundstraรe 40 nach Loschยญwitz, und er wurde mit den Jahren โweit รผber die Grenzen Deutschlands hinaus bekanntโ. Er hatte ein groรes biologisches Verstรคndnis, und er war ein geยญschรคtzter Sachverstรคndiger und Mitarbeiter bei fachwissenยญschaftยญlichen Zeitschriften in vielen Lรคndern. Es gab ein umfangreiches Schriftgut. Interessierte Fachยญkreise aus China, Siam, Afrika und auch Amerika standen mit ihm im regen Gedankenaustausch.
Mit peinlicher Sauberkeit โ die ihm von Mitarbeitern des Dresdener Zoos sowie von anderen Experten bescheinigt wurde โ versorgte er in vorbildlicher Form die โ ihren natรผrlichen Lebensgewohnheiten angepassten โ Tiere. Er opferte โ auch in Jahren der Arbeitslosigkeit โ buchstรคblich seine letzten Pfennige fรผr seine Tiere. Das Tierfutter zรผchtete er zum Groรteil selbst, es galt aber auch, viel Futter zu erwerben.

Foto: Sammlung Gerlach
Besonders hart war der extrem kalte Winter 1928/29. Das Heizen der im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Veranda mit den vielen Aquarien und Terrarien und deren Heizungs- und Leuchtยญanlagen verschlang eine Unmenge Kohle. Aber er konnte alle Tiere und wertvollen Pflanยญzen (er war auch u. a. Orchideen- und Bromelienzรผchter) in das nรคchste Frรผhjahr retten. Sein Lebensmotto war: Ich muss.
Vor und wรคhrend der Kriegsjahre zog er sich immer mehr zurรผck, behielt aber einen groรen Teil seiner Tiere. Er konnte sich nur ganz selten und schweren Herzens von seinen Pfleglingen trennen. So fiel es ihm โ wenige Wochen vor seinem Tod โ unsรคglich schwer, seine beiden Pinselohrรคffchen zu verlieren. Auch zu einer โ eigentlich dringend notwendigen โ Trennung von โseinemโ Alligator konnte er sich nicht entschlieรen. Am 31. Mรคrz 1942, nach einem Sturz auf dem vereisten Blauen Wunder und einer dabei zugezogenen Gehirnerschรผtterung, die von ihm nicht entsprechend beachtet wurde, verstarb Georg Gerlach in der Grundstrasse 40.
Isa und Ute Gerlach
(1942 und 1944 geborene
Enkeltรถchter)