Festwochenende in Rochwitz

75 Jahre Siedlung Oberrochwitz / 90 Jahre Ein-gemeindung von Rochwitz nach Dresden

Wehrmachtssoldaten auf der HutbergstraรŸe zwischen Gasthof und Schule um 1943. Im Hintergrund auf dem Schulhof ist ein groรŸes Zelt zu sehen, worin vermutlich Soldaten einquartiert waren. Dazwischen lรคuft ein Kind zur Schule.  Foto: Sammlung Karl Richter
Wehrmachtssoldaten auf der HutbergstraรŸe zwischen Gasthof und Schule um 1943. Im Hintergrund auf dem Schulhof ist ein groรŸes Zelt zu sehen, worin vermutlich Soldaten einquartiert waren. Dazwischen lรคuft ein Kind zur Schule.
Foto: Sammlung Karl Richter

26. bis 28. August 2011

1936 wurde auf einem von der Landessiedlungsgesellschaft Sachsen GmbH erworbenen Grundstรผck die Siedlung Oberrochwitz gegrรผndet. Bis zum heutigen Tag sind die Grundstrukturen der Siedlung (Einzel- und Doppelhรคuser, gestaltete Vorgรคrten und die Hecke zur StraรŸe) erhalten geblieben. 1961 wurden die Hรคuser โ€žAm Wachwitzer Hรถhenparkโ€œ in den Verband der Kleingรคrtner, Siedler und Kleintierzรผchter (VKSK), den Vorlรคufer des Siedlerverbandes eingegliedert.
Ins Jahr 2011 fรคllt auch der 90. Jahrestag der Eingemeindung von Rochwitz nach Dresden.

Die 61. Grundschule von Rochwitz in einem recht bedauernswerten Zustand. Hat sich das Warten auf das โ€žDeutsche Wunderโ€œ bis in unsere Tage ausgezahlt? Foto: Karl Richter
Die 61. Grundschule von Rochwitz in einem recht bedauernswerten Zustand. Hat sich das Warten auf das โ€žDeutsche Wunderโ€œ bis in unsere Tage ausgezahlt?
Foto: Karl Richter

Vom 26. bis 28. August 2011 feiern wir den 75. Jahrestag der Grรผndung der โ€žSiedlung Oberยญrochwitzโ€œ mit einem Festwochenende. In das Fest beziehen wir nicht nur die Siedlungsbewohner, sondern alle Rochwitzer und ihre Gรคste ein.
In Zusammenarbeit mit Schule, Hort, รถrtlichen Handwerkern und ansรคssigen Kรผnstlern wurde durch denย  Siedlerverein Oberยญrochwitz e.V. ein Festprogramm zusammengestellt.

Flakstellung auf dem Feld zwischen HutbergstraรŸe und Rochwitzer StraรŸe, um 1943. Foto: Sammlung Karl Richter
Flakstellung auf dem Feld zwischen HutbergstraรŸe und Rochwitzer StraรŸe, um 1943.
Foto: Sammlung Karl Richter

Beginn ist am Freitag mit einer Auffรผhrung von โ€žPippi Langยญstrumpfโ€œ durch die Schule. Ab 19 Uhr werden am Spielplatz Luftballons und spรคter ein Lampionยญumzug gestartet. Neben einer Vielzahl von Veranstaltungen fรผr Alt und Jung wurde zum Themaย  โ€žRochwitz vor 100 Jahrenโ€œ im Ballsaal des ehemaligen Gasthofes eine Geยญmรคldeausstellung vorbereitet. Eine Festschrift wird zum Kauf angeboten. Der Vorstand des Siedlervereins Oberrochwitz e.V hofft, dass das Programm viele anspricht und lรคdt alle Siedler, alle Rochwitzer und viele Gรคste ein, an diesem Wochenende gemeinsam mit uns zu feiern.

Das Festprogramm kann unter www.verband-wohneigentum. de/sv-oberrochwitz abgerufen werden.

Blick vom Rochwitzer Dorfplatz zum Dorfteich, dem Bauerngut Gierth (rechts, in den 1960er Jahren abgerissen) und der 1936 erbauten Siedlung Oberrochwitz. Foto: Sammlung Karl Richter
Blick vom Rochwitzer Dorfplatz zum Dorfteich, dem Bauerngut Gierth (rechts, in den 1960er Jahren abgerissen) und der 1936 erbauten Siedlung Oberrochwitz.
Foto: Sammlung Karl Richter

Siedlerverein Oberrochwitz e.V. โ€“ Die Hebung eines kleinen Fotoschatzes

In einer Gruppe von geschichtsinteressierten Rochwitzern wurde die Idee geboren, das Dorfgeschehen und die weitere Entwicklung als Dresdner Stadtteil in einer Chronik zusammenzutragen. Material รผber das Leben im Ort sollte gesammelt und alte Rochwitzer befragt werden. Man startete Anzeigen mit der Bitte um Mithilfe und trifft sich seither einmal im Monat. Der 1935 in Rochwitz geborene Karl Richter ist einer der Initiatoren. Nach dem Renteneintritt 1990 beschรคftigt er sich intensiv mit der Rochwitzer Geschichte. Als ehrenamtlicher Denkmalpfleger dokumentierte er 1993/94 den Dorfkern Rochwitz fรผr die Denkmalpflege und sammelte Unterlagen รผber den Ort. Fรผr den Elbhang-Kurier schrieb er Beitrรคge in Zusammenarbeit mit Hans Thieme und im letzten Dresdner Geschichtsbuch erschien sein, gemeinsam mit Tilmann Deutscher verfasster Aufsatz โ€žRochยญwitz โ€“ vom slawischen Dorf zum Dresdner Stadtteilโ€œ.
In seiner Sammlung befindet sich auch ein seit Jahren schlummernder Schatz. Nachkommen der Rochwitzer Familie Petzold hatten ihm zwei Kisten mit Kleinbild-Negativfilmen รผbergeben, die er seither hรผtete, aber nie entwickeln lieรŸ. Fรผr das Jubilรคum der Siedlung kramte er sie hervor und gemeinsam mit Tilman Deutscher, der 2009 ein groรŸes Fest im Rochwitzer Stadtteil Kamerun organisierte, und dem Elbhang-Kurier wurde der Schatz nun gehoben (siehe Editorial). An einem Sonnabend-Vormittag betrachteten wir die Aufnahmen und Karl Richter und Tilmann Deutscher kommentierten sie.

Geschรคftshaus Max Petzold, spรคter Konsum, dann Zahnarztpraxis im Ladenbereich, heute vollstรคndig ein Wohnhaus.  Foto: Karl Richter
Geschรคftshaus Max Petzold, spรคter Konsum, dann Zahnarztpraxis im Ladenbereich, heute vollstรคndig ein Wohnhaus.
Foto: Karl Richter

Familie Petzold wohnte im Haus Altrochwitz 2. Im Eckladen des Hauses gleich an der Schule betrieben sie den โ€žKolonialwarenladen Max Petzoldโ€œ. Der Namensgeber war Max Petzold sen. Sein Sohn Max, ein Lehrer, durfte jedoch als Kommunist nicht unterrichten. Max jun. half wรคhrend seines Berufsverbotes im Geschรคft seines Vaters aus, brachte seine Familie so durch die Wirren des Krieges, und beobachtete von seinem Balkon das Treiben vor dem Haus. Die Wehrmacht war um 1943 in Rochยญwitz stationiert worden, um eine Flakstellung mit Baracken aufzubauen, die er im Bild festhielt. Die Soldaten wurden im Hof des Petzoldschen Anwesens aus einer Gulaschkanone verkรถsยญtigt. Zeitweise waren im kleinen Saal des ehemaligen Gasthofs auch franzรถsische Kriegsgefangene und spรคter in Wohnwagen russische untergebracht. Sie mussten beim Bau der Baracken helfen, aber auch im Winter Schnee von den StraรŸen schaufeln. Auch diese photographierte er heimlich, wenn sie in Gruppen vorbeimarschierten. Es bedeutete groรŸen Mut, sich dieser Gefahr auszusetzen, denn schnell entstand der Verdacht der Spionage. Max Petzold jun., spรคter dann auch sein Sohn Jรผrgen, fotografierten aber auch die neue Siedlung, das Leben im Ort und einige Feste.

Franzรถsische Kriegsgefangene vor dem Ballsaal auf dem Weg zu Arbeitseinsรคtzen in der Umgebung.  Foto: Sammlung Karl Richter
Franzรถsische Kriegsgefangene vor dem Ballsaal auf dem Weg zu Arbeitseinsรคtzen in der Umgebung.
Foto: Sammlung Karl Richter

Nach dem Krieg wurde Max Petzold jun. Schulrat, wรคhrend seine Familie den Laden weiterfรผhrte. Hier befand sich 1949 das Wahllokal und รผber die ganze Hauswand war zu lesen: โ€žDas freie deutsche Volk wรคhlt heute seine Zukunftโ€œ. In den fรผnfziger Jahren wurde das Geschรคft Konsum, der bis in die 1990er Jahre betrieben wurde.

In das ehemalige Kolonialwarengeschรคft von Max Petzold zog nach 1945 eine Filiale der Konsumgenossenschaft ein. Die bekannte Verkรคuferin โ€žEllaโ€œ, auf dem Foto rechts, war nach dem Krieg mit รผbernommen worden. Nach 1989 fiel, wie in vielen anderen Stadtteilen und Gemeinden auch, der klassische Dorfkonsum weg. Foto: Sammlung Karl Richter
In das ehemalige Kolonialwarengeschรคft von Max Petzold zog nach 1945 eine Filiale der Konsumgenossenschaft ein. Die bekannte Verkรคuferin โ€žEllaโ€œ, auf dem Foto rechts, war nach dem Krieg mit รผbernommen worden. Nach 1989 fiel, wie in vielen anderen Stadtteilen und Gemeinden auch, der klassische Dorfkonsum weg.
Foto: Sammlung Karl Richter

Heute merkwรผrdig erscheinende Losungen prangten nach Grรผndung der DDR auch an der Schule und an anderen Hรคusern im Ort. Bauerngehรถfte wurden โ€žkollektiviertโ€œ und der LPG โ€žNeues Lebenโ€œ zugeschlagen. So erging es auch einem der schรถnsten Hรถfe, dem Gierthschen Bauernhof an der Zaschendorfer StraรŸe 2. โ€žDurch hohe Ertrรคge den Frieden sichernโ€œ stand am Haus, doch nur wenige Jahre reichten aus, um das Gehรถft vollends zu ruinieren. In den sechziger Jahren wurde das erste Haus dieses Hofes abgerissen, was Jรผrgen Petzold dokumentierte. Heute ist die Flรคche eine Brache. Anderen Hรคusern in Rochwitz ging es nicht besser, auch sie verfielen. Doch viele wurden auch erst nach dem Umbruch 1989 abgerissen. Die Gaststรคtte โ€žZum Jรคgerโ€œ verfรคllt seit Jahrzehnten und steht als Ruine am Dorfplatz. Die abgerissenen Hรคuser sind durch die Filme der Familie Petzold dokumentiert. Mit den Aufnahmen werden sich die Rochwitzer jetzt intensiv beschรคftigen, sie datieren und Zeitzeugen befragen. Das groรŸe Jubilรคum 650 Jahre Rochwitz findet erst 2028 statt โ€“ die Chronik aber soll es vorher schon geben.

Jรผrgen Frohse

Tilmann Deutscher und Karl Richter bei der Auswahl des Bildmaterials fรผr diesen Artikel.  Foto: Jรผrgen Frohse
Tilmann Deutscher und Karl Richter bei der Auswahl des Bildmaterials fรผr diesen Artikel.
Foto: Jรผrgen Frohse

Generationenwechsel in Rochwitz

Bei der Erarbeitung einer Ortschronik ist der Ursprung des Ortes von Bedeutung. Die erste Besiedlung von Rochwitz erfolgte an einem Bachlauf und damit am Dorfteich. Es ist das Gebiet insbesondere um die Pappritzer StraรŸe. 1992 wurde dieser Dorfkern in die Erhaltungssatzung fรผr historische Dorfkerne im Stadtgebiet von Dresden aufgenommen.

Wie sieht es mit der Erhaltung aus und wie lebt man dort?
Leider sind in den letzten Jahren bauliche Verluste zu beklagen. Der grรถรŸte Teil der Wohnstรคtten ist jedoch erhalten und wird gepflegt. Durch Generationenwechsel, aber auch durch Zuzug und Erwerb von Grundstรผcken, sind jetzt viele jรผngere Bewohner in den alten Dorfkern gekommen.

Kennt man sich untereinander und wie ist das Zusammenleben?
Dazu ein Beispiel aus jรผngster Zeit. Ein รคlterer Einwohner lebte allein in seinem aus Familienbesitz erlangten Haus โ€“ seine Kinder hunderte Kilometer entfernt. Diese Situation veranlasste ihn, in die Nรคhe eines Sohnes zu ziehen und sein Anwesen abzugeben. Auf Initiative einiger junger Leute wurde ein Abschiedsabend organisiert. Es war ein Erlebnis. Im Hof einer ehemaligen Bauernwirtschaft trafen sich Nachbarn und Bekannte bis hin zu ehemaligen Freunden aus der Grundschulzeit. Dem โ€žAuswandererโ€œ wurden nach einer Sammlung Geschenke รผberreicht und das Aufrechterhalten der Verbindung bis hin zu Einladungen versprochen.

Es war ein besonders gemรผtlicher Abend. Die Gesprรคche, รผber vergangene 50, 60 Jahre sind auch ein Beitrag zur Erarbeitung einer Ortschronik.

ย Karl Richter