Kalkuliertes Wagnis

Lahmann-Sanatorium: Berndt Dietze, Geschรคftsfรผhrer der Vertretung der BAYWOBAU in Dresden, setzte sich persรถnlich fรผr den Kauf des Lahmann-Sanatoriums ein und berichtete รผber die Ideen fรผr das Areal.

Panorama des ehemaligen Lahmann-Sanatoriums. Abbildung: Sammlung M. Bรถttger
Panorama des ehemaligen Lahmann-Sanatoriums.
Abbildung: Sammlung M. Bรถttger

Momente wichtiger Lebensentscheidungen kommen oft unvorhergesehen und kรถnnen nicht warten. Es bietet sich eine Chance, ein nie fรผr mรถglich gehaltenes Geschรคft oder eine groรŸe Liebe und man hat den Mut, sie zu ergreifen oder die Tรผren schlieรŸen sich. Im Geschรคftsleben kann die sich auf einem Tablett bietende Chance aber auch groรŸe Risiken bergen. Erfolg und Misserfolg liegen oft nah bei einander. Eitelkeiten, รœberschรคtzungen und Leichtsinn kรถnnen alles gefรคhrden. Das Gespรผr zu besitzen, alles abgewogen zu haben und rechtzeitig zuzugreifen, ist aber oft auch eine Frage des Talents.

Fรผr Berndt Dietze, 1943 in Cunnersdorf im Schรถnfelder Hochland geboren. Abitur 1962 auf der MANOS in Blasewitz abgelegt und seit 37 Jahren auf dem Materniweg in Oberloschwitz wohnend, bot sich innerhalb von acht Tagen im Dezember 2010 so eine Chance. Nur zwischen dem 15. und dem 22. Dezember gab es die Mรถglichkeit, das einst (vor dem Ersten Weltkrieg) teuerste Grundstรผck des Deutschen Reichs und nach dem Abzug der โ€žRussenโ€œ seit รผber zwanzig Jahren leerstehende ehemalige Lahmann-Sanatorium auf dem WeiรŸen Hirsch zu erwerben. Als Geschรคftsfรผhrer der Dresdner Vertretung der BAYWOBAU musste er in kurzer Zeit den in Mรผnchen sitzenden Vorstand des Unternehmens รผberzeugen, noch einmal hier in Dresden, am WeiรŸen Hirsch, sehr viel Geld zu investieren. Er verhandelte mit dem Augustinum (dem verkaufswilligen Besitzer) und dem Freistaat Sachsen, die noch immer geltenden Investitionsauflagen zu lockern. Eine Menge von Fragen waren schnell zu beantworten, und die vom Freistaat geforderten Bรผrgschaften mussten eingeholt werden. Die Zeit drรคngte, hatten doch andere Bieter โ€žden Braten ebenfalls gerochenโ€œ.

Berndt Dietze (Mitte) offenbarte sein Plรคne und Visionen im โ€žCafรฉ Marliaโ€œ. Foto: Jรผrgen Frohse
Berndt Dietze (Mitte) offenbarte sein Plรคne und Visionen im โ€žCafรฉ Marliaโ€œ.
Foto: Jรผrgen Frohse

Seit 10. Januar 2011 ist die BAYWOBAU (z. B.: Quartiere III, IV, VIII am Neumarkt; Siedlung KarpatenstraรŸe, Rochwitz; Kรถnigsberger StraรŸe 33, Bรผhlau) nun offizieller Besitzer des Grundstรผcks. Berndt Dietze weiรŸ, was er sich damit als in unmittelbarer Nachbarschaft wohnender und im Ortsbeirat Loschwitz sitzender auch โ€žeingehandeltโ€œ hat. Jede Bauaktivitรคt wird genau beobachtet und kommentiert werden. Er wird den Journalisten Rede und Antwort stehen mรผssen. Bei jedem Einkauf auf dem Hirsch wird man ihn oder auch seine Frau darauf ansprechen. Privates und Geschรคftliches werden schwerer zu trennen sein. Das Bauvorhaben wird persรถnlicher sein, als jedes andere in der Stadt und man wird es vermutlich immer mit seinem Namen verbinden. Er geht dieses Wagnis am Ende seines Berufslebens ein, wohl aus einer Mischung aus Idealismus und beruflichem Ehrgeiz. Die Liebe zu seinem Heimatort und der ร„rger รผber den jahrelangen Verfall des Areals spielen ebenfalls eine Rolle. Er will es sich und anderen noch einmal beweisen, denn er ist fest davon รผberzeugt, dass man die bestehenden Gebรคude denkmalsgerecht sanieren und das Gelรคnde mit einigen vertrรคglichen Neubauten wirtschaftlich betreiben kann.

Noch bestehen keine Plรคne und keine Baugenehmigungen, doch Berndt Dietze stellte gemeinsam mit seinem Vertrauten Claus Fiebiger einer sehr interessierยญ-ten Gruppe aus Ortsamtsleiterin, Fรถrster, Vereinsmitgliedern, Ortsยญchronisten und Lokaljournalisten die Grundzรผge seiner Ideen am
4. Februar im โ€žCafรฉ Marliaโ€œ vor:

โ€žWeniger ist manchmal mehrโ€œ

Mit dem Kauf erhielt die BAYWOBAU die digitalisierten Plรคne der Bestandskubatur sowieย  der Baugrund- und Altlastensituation in guter Qualitรคt. Der komplette Baumbestand ist erfasst und Plรคne der Keller, Gรคnge und Treppen sollen vom Augustinum noch รผbergeben werden, so dass gute Baugrundlagen bestehen. Mehrere Architekten werden in nรคchster Zeit angesprochen, sich Gedanken รผber verschiedene Objekte zu machen.

Das Hauptaugenmerk der Nutzung soll fรผr das gesamte Gelรคnde auf altersgerechtem Wohnungsbau liegen. Etwa 80 Wohnungen im derzeitigen Gebรคudeยญ- bestand und etwa 80 neue Wohnungen kรถnnten so entstehen. Fรผr die Erdgeschossrรคume, so auch im Eckhaus an der Bautzner LandstraรŸe, sind aber auch gewerbliche Nutzungen mรถglich. Den Charakter eines Sanatoriums wird man nicht erzielen kรถnnen, aber medizinische und soziale Indikatoren sollen eine Rolle spielen. Arzt- oder Physiotherapiepraxen, aber auch ein โ€žZentrum chinesischer Medizinโ€œ, wie es sich der Leiter des Vereins โ€žChinesischer Pavillonโ€œ, Herr von Bargen, wรผnscht, sind denkbar. Einen Supermarkt wird es nicht geben. Man wolle auch versuchen, Altes mit Neuem zu verbinden. Dabei wird man nicht jede Spur der Jahrzehnte und der Vergรคnglichkeit beseitigen.ย  โ€žWeniger sei manchmal mehrโ€œ, so Herr Dietze und er verwies auf die wunderbare Sanierung des Neuen Museums in Berlin durch David Chipperfield.

Berndt Dietze am Eingang zu โ€žseinemโ€œ Lahmann-Sanatorium. Foto: Jรผrgen Frohse
Berndt Dietze am Eingang zu โ€žseinemโ€œ Lahmann-Sanatorium.
Foto: Jรผrgen Frohse

In einem ersten Schritt sollen das Gelรคnde schnellstmรถglich vom Wildwuchs befreit und Schutt sowie unnรถtige Einbauten entfernt werden. Mit dem in relativ gu-tem Zustand befindlichen โ€žHein-richshofโ€œ, dem Eckgebรคude Bautzner LandstraรŸe 3 und dem Wandelgang wird der erste Bauabschnitt geplant. Da alle Hรคuser unterirdisch durch Gรคnge verbunden sind, wird es relativ leicht, Versorgungsleitungen, also auch Fernwรคrmeleitungen zu verlegen. Noch sei aber nicht entschieden, welche Heizform man wรคhlen wird. In der Diskussion seien Pelett- oder Block-Heizkraftwerke.

Danach, vermutlich aber in รผbergreifenden Bauabschnitten, wird man sich den anderen Objekten widmen. Das ehemalige โ€žFrida-Badโ€œ (Damenbad), das Berndt Dietze zu den schรถnsten Bauten zรคhlt,ย  soll in alter Pracht erstrahlen. Die wunderbare Decke im ehemaligen Speisesaalย  wird restauriert, doch eine Nutzung des Raumes erscheint schwierig. Zur Not kรถnne man ihn auch durch Glaswรคnde teilen. Im besten Zustand prรคsentiere sich das ehemalige Maschinenhaus. Am in Stahlbetonbauweise errichteten Gebรคude sei selbst der Putz in gutem Zustand. Das โ€žHerrenbadโ€œ, vom Augustinum noch zum Abriss vorgesehen, wird bestehen bleiben. Die Struktur der Raumaufteilung mรผsse aber, bis auf das Treppenhaus, geรคndert werden. Die Wohnung mit dem halbrunden Jugendstilfenster wird sicher einen ganz besonderen Liebhaber finden. Selbst der Wasserturm wird erhalten und durch einen Turmneubau ergรคnzt.

Panorama des ehemaligen Lahmann-Sanatoriums. Abbildung: Sammlung M. Bรถttger
Panorama des ehemaligen Lahmann-Sanatoriums.
Abbildung: Sammlung M. Bรถttger

Vier Stadtvillen und einige Einfamilienhรคuser (die genaue Zahl wird man erst nach den Ideen der Architekten haben) werden das Ensemble ergรคnzen. Es wird aber eine geringere Neubebauung als in den, vor Jahren vorgestellten Wettbewerbsbeitrรคgen geben. Die Neubauten werden verschiedene Handschriften tragen und Blickbeziehungen beachten. Dem groรŸen Problem der Parkplรคtze will man mit zwei Parkhรคusern am Rand des Areals begegnen. Eines soll am westlichen Hang entstehen und nur aus stadtwรคrtiger Richtung von der Bautzner LandstraรŸe zugรคnglich sein. Mit Aufzรผgen kรคmen die Nutzer dann auf die Ebene des Lahmannschen Grundstรผcks. Vom Stechgrund aus wird man in eine weitere Tiefgarage fahren kรถnnen. Das eigentliche Gelรคnde kรถnnte auf diese Weise vom Verkehr relativ verschont werden, einzelne Anlieferungen ausgenommen.

Was die Anzahl der neuen Bewohner betrifft, so baue man ein grรถรŸeres โ€žsorbisches Dorfโ€œ auf den WeiรŸen Hirsch, sagte Herr Dietze. Es werde Auswirkungen auf die Geschรคfte und Restaurants haben. Interessierte werden sich in einem Pavillon informieren kรถnnen und zu besonderen Anlรคssen, wie zum Tag des offenen Denkmals, wird man die Anlage besichtigen kรถnnen.