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Von Blasewitz nach Capri
Der in Blasewitz getraute Alfred Krupp erlebte seine Silberhochzeit nicht mehr
Der Autor dankt den Ortschronisten Bernd Beyer und Kurt-Dieter Prskawetz fรผr wertvolle Hinweise. Ein weiterer Beitrag von K.-D. Prskawetz mit ortsgeschichtlichen Details ist auf der Internetseite nachzulesen.

Foto: Sammlung Bernd Beyer
In einer Hรถrspielsendung โKrupp, wie er sich auf Capri ergehtโ beleuchtet Deutschlandradio Kultur (DLR, in Dresden auf UKW 93,2 kHz) am Montag, 14. November, 21.33 Uhr ein Schicksal und eine Familiengeschichte, die eigentlich 1882 in Blasewitz begann (und 1902 in Essen vorlรคufig endete). Aus einer gutbรผrgerlichen โStadtvillaโ โ mit adligen Bewohnern โ am Blasewitzer Kรถnigsheimplatz (damals Residenzstraรe 26 zwischen Deutscher Kaiserallee/Mendelssohnallee und Fortshausstraรe) fรผhrte der spรคtere โKanonenkรถnigโ Alfred Friedrich Krupp (1854 โ 1902) seine Braut Margarethe von Ende (1854 โ 1931) in seine rheinisch-westfรคlische Heim Essen. Die kirchliche Trauung fand im August 1882 in der nahegelegenen evangelischen Erlรถserkirche an der Wittenberger Straรe/Ecke Paul-Gerhard-Straรe statt, da es damals in Blasewitz noch keine Kirche gab โ wohl aber die Anfรคnge des Blasewitzer Rathauses. Dort nรคmlich, im ursprรผnglichen โNaumannstiftโ (am 14. November begeht das Haus seinen 160. Geburtstag), vollzog der damalige Gemeindevorsteher Karl Tauscher die standesamtliche Trauung und animierte den vermรถgenden Brรคutigam mit der oft zitierten Bitte โHerr Krupp, Sie fabrizieren so viele Kanonen, kรถnnten Sie uns da fรผr unseren Kirchenbau nicht mal was vorschieรen?โ zu einer (seinerzeit) namhaften Spende (fรผr die heutige Heilig-Geist-Kirche).
รber den Verlauf der damals geschlossenen Ehe kann und soll hier nicht spekuliert werden, da der EHK keinen Paparazi-Ehrgeiz hat (weder die silberne noch gar die eiserne Hochzeit konnte der โKanonenkรถnigโ feiern). Das Leben Alfred Krupps endete bereits am 22. November 1902 in der Essener โVilla Hรผgelโ nach offensichtlich spektakulรคren Geschehnissen, in die sich sogar Kaiser Wilhelm II. als Trauerredner einmischte. Margarethe Krupp hatte zuvor die Entmรผndigung ihres Gemahls angestrengt, nachdem in der italienischen und deutschen (von Paparazi gefรผtterten?) Presse homoerotisch angereicherte Nachrichten von der Insel Capri aufgetaucht waren. Dort hielt sich Krupp in den Wintermonaten 1899 โ 1902 in seiner pompรถsen Villa auf, die man auch heute noch bewundern kann. Vielleich begegnete er dort auch dem spรคteren Dresdner Architekten Karl Weichardt, der 1905 auf dem Weiรen Hirsch seine aus Capri โentlehnteโ Villa Tiberius errichtete (s. EHK August 2011, S.4).

Reproduktion (nach einer Zeichnung von August Reinhardt): Sammlung Bernd Beyer
Das angekรผndigte โKriminalhรถrspielโ von DLR begibt sich auf eine auรerordentlich spannende Spurensuche zu den damaligen (weltbewegenden) Ereignissen. Die verbliebenen Dresdner Spuren sind allerdings dรผrftig: Das Braut-Elternhaus Residenzstraรe 26 und die Striesener Erlรถserkirche wurden Opfer des Bombeenkrieges, ein Standesamt im Rathaus Blasewitz existiert nicht mehr, das Wohnhaus des โStandesbeamtenโ Tauscher musste dem Scherzschen Rathausbau weichen. Brautvater August Freiherr von Ende (1815 โ 1889) verbrachte seinen Lebensabend als Kรถniglich-Preuรischer Oberprรคsident a. D. auf dem Weiรen Hirsch, wurde aber dort nicht begraben, weil der Waldfriedhof Bad Weiรer Hirsch erst 1898 angelegt wurde (wie Horst Milde berichtet). Ob die heutige Grotte an der Dresdner Villa Tiberius รhnlichkeit hat mit einer Capri-Grotte, in der sich Alfred Krupp mit โJรผnglingenโ getroffen haben soll, kรถnnte bestenfalls Stoff fรผr eine Novelle sein โ im โTurmโ ist darรผber jedenfalls nichts zu lesen.
Die Trauung des โKanonenkรถnigsโ in Blasewitz โ Weiterfรผhrende Gedanken zu einem historischen Ereignis

Reproduktion: Sammlung K.-D. Prskawetz
Am 14. November 2011 (Hรถrspielsendetermin bei Deutschlandradio Kultur/s. o.) wird der Gebรคudekomplex des Ortsamtes Blasewitz 160 Jahre, und die Geschichte seiner Grรผndung ist bereits mehr als 170 Jahre alt (s. EHK-Serie 2007/2008 von K.-D. Prskawetz โSachzeugen Blasewitzer Kulturgeschichteโ). Anfรคnglich erstes Schulhaus von Blasewitz (Naumannstift), wurde er 1877 Gemeuinde- und 1878 Standesamt. Wegen des Baubooms in der Gemeinde seit 1850 kam es zu mehreren Um- und Anbauten am heutigen Ortsamt, so durch die Baumeister Emil Wรคgner und Karl Emil Scherz.
Eine Menge Geschichte und Geschichten birgt das heutige Ortsamt Blasewitz. Die Folgende sei hier besonders herausgegriffen. Sie ereignete sich wรคhrend der Zeit, als Karl Friedrich Tauscher in Blasewitz nicht nur Gemeindevorstand (1859 โ 1884), sondern gleichzeitig Standesbeamter war. Eine Trauung (1882), die Tauscher vornahm, ragte unter allen besonders heraus. Friedrich Alfred Krupp (1854 โ 1902), geboren in Essen, zu seiner Zeit im Besitz des grรถรten Familienunternehmens der Erde, hatte die Liebe nach Blasewitz verschlagen. So ergab sich jenes besondere Ereignis fรผr die Gemeinde Blasewitz: die standesamtliche Trauung zwischen ihm und Eva Franziska Charlotte Margarethe Freiin von Ende. Ihr Vater, August Freiherr von Ende, Kรถniglich-Preuรischer Oberprรคsident a. D., wohnte damals in der Residenzstraรe 26 (heutige Loschwitzer Straรe). Nach der Eheschlieรung und Fertigstellung des Protokolls kam es zu Krupps legendรคr gewordenem Ausspruch und zu seiner Spende von je 300 Reichsmark fรผr den Kirchen- und Armenfonds der Gemeinde Blasewitz. Wie damals รผblich, zog die Hochzeitsgesellschaft noch am gleichen Tag unter Teilnahme zahlreicher Einwohner in die Kirche nach Altstriesen, da die Blasewitzer Heilig-Geist-Kirche erst am 15. Oktober 1893 geweiht wurde.
(nach Aufzeichnungen von Kurt-Dieter Prskawetz)