Im Gedenken an Christa von Craushaar

โ€žWohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde โ€ฆ โ€œ

Christa von Craushaar als 20-Jรคhrige  Foto: Edmund Kesting 1933
Christa von Craushaar als 20-Jรคhrige
Foto: Edmund Kesting 1933

Die von Herrmann Hesse stammende Verszeile der รœberschrift stand รผber der Trauerfeier fรผr Christa Charlotte von Craushaar, die am 21. August kurz nach ihrem 93. Geburtstag in Blasewitz/Striesen gestorben ist (siehe auch EHK Juli 2003, Seite 14). Das in ihrem Nachlass aufgefundene Hesse-Zitat war symptomatisch fรผr das bewegte und erfรผllte Dasein der Uralt-Blasewitzerin โ€“ immer โ€ždem Leben auf der Spurโ€œ โ€“ aus sรคchsischem Offiziersadel stammend, dessen letzte Dresdner Namenstrรคgerin sie war.

Christa von Craushaar an ihrem 90. Geburtstag Foto: Christine Karla Schrรถder 2003
Christa von Craushaar an ihrem 90. Geburtstag
Foto: Christine Karla Schrรถder 2003

Jahrzehntelang, bis 1996, bewohnte sie die Craushaar-Villa NaumannstraรŸe 2, die sich heute โ€“ innen und auรŸen โ€“ wieder in altem Glanz zeigt. Als junge aufgeschlossene Frau war sie 1933 eine der ersten Abiturientinnen an der damaligen Kreuzschule, wo sie sich vor allem โ€žaltsprachlichโ€œ bildete โ€“ und deshalb noch im hohen Alter โ€žLatein-Nachhilfeโ€œ erteilen konnte. Angesichts ihrer herausragenden Begabung auf den Gebieten der Literatur, der Kรผnste und der Geschichte wurde sie, seinerzeit in der โ€žArnoldschen Kunsthandlungโ€œ tรคtig, frรผhzeitig vom Dresdner Kunsthistoriker Dr. Fritz Lรถffler โ€žentdecktโ€œ, dem sie รผber Jahrzehnte als hochgebildete und befreundete Gehilfin und als Mutter des gemeinsamen, 1941 geborenen Sohnes Falk verbunden war. Ungezรคhlte Lรถffยญler-Manuskripte fรผr Zeitungen und Verlage trugen ihre โ€žHandschriftโ€œ. Dr. Lรถffler war es auch, der ihren Eintritt in die Kulturredaktion der Dresdner Nachkriegszeitung โ€žDIE UNIONโ€œ vermittelte. Die damalige Literaturยญredakteurin Ursula Wicklein erinnert sich:

โ€žAls ich in den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Redaktion der UNION kam, arbeitete Frau von Craushaarย  dort im Sekretariat. Nicht nur das in sozialistischen Zeiten so unรผbliche โ€švonโ€™ vor dem Nachnamen machte sie zu einer beeindruckenden Erscheinung. Hochgewachsen, trug sie das Haar in der Mitte gescheitelt und mit einemย  kleinen Knoten im Nacken und hatte hinter starken Glรคsern sehr lebendige Augen. Trotzdem wirkte sie mit ihrer freundlichen Bescheidenheit auf merkwรผrdige Weise unauffรคllig.

Obwohl sie hochgebildetย  war, hatte sie wohl keine eigentliche Berufsausbildung, was sowohl ihrer Herkunft als โ€šTochter aus gutem Hausโ€™ als auch den Kriegs- und Nachkriegswirren geschuldet sein mochte. Mir oblag damals hauptsรคchlich die Redaktion der Literaturseite. Ich erinnere mich noch an mein sprachloses Erstaunen, als sie beim Tippen eines Beitrags รผber Galsworthys Forsytesaga lรคchelnd sagte, sie habe das Buch erst unlรคngst wieder gelesen, natรผrlich in der Originalsprache. Dass sie รผber gute Griechisch- und Lateinkenntnisse verfรผgte, war fรผr sie genau so selbstverstรคndlich. Eigentlich, dachte ich damals, sollten wir die Plรคtze tauschenโ€ฆ

Die zur damaligen Zeit etwas ungewรถhnlich wirkende Situation als Mitarbeiterin und Gefรคhrtin des (seit 1942) verheirateten Dr. Fritz Lรถffler lebte sie souverรคn. Mir erschien sie als eine singulรคre Erscheinung, die nach Herkunft und Bildung beste deutsche Kulturtradition der ersยญten Hรคlfte des vorigen Jahrhunderts reprรคsentierte und mit ihrer geistigen Unabhรคngigkeit dennoch ihrer Zeit voraus war.โ€œ

Die ehemalige Villa Schanz-Aufschlรคger (hier vor der Restaurierung 1996) an der NaumannstraรŸe 2 war jahrzehntelang Wohnsitz der Familie von Craushaar. Foto: Sammlung Dieter Jeschke
Die ehemalige Villa Schanz-Aufschlรคger (hier vor der Restaurierung 1996) an der NaumannstraรŸe 2 war jahrzehntelang Wohnsitz der Familie von Craushaar.
Foto: Sammlung Dieter Jeschke

Diese โ€žsingulรคre Erscheinungโ€œ, รผber die heutige Redaktionen nur selten verfรผgen, erklรคrt vielleicht auch, warum sich โ€žDIE UNIONโ€œ, zumindest auf den Kulturseiten, รผber Jahre hinweg von der โ€žsozialistischen Presseโ€œ ein wenig abhob โ€“ trotz Zensur und politischer Vorgaben. Das wurde sogar in Berlin โ€žbemerktโ€œ.

Namenlos aber nicht vergessen: Familiengrabstรคtte von Craushaar auf dem Tolkewitzer Urnenhain. Die heutige Wilhelm-Buck-StraรŸe (Neustadt) hieรŸ bis 1945 CraushaarstraรŸe (benannt nach dem 1870 gefallenen General Ernst Adolf von Craushaar). Foto: Sammlung Falk Lรถffler
Namenlos aber nicht vergessen: Familiengrabstรคtte von Craushaar auf dem Tolkewitzer Urnenhain. Die heutige Wilhelm-Buck-StraรŸe (Neustadt) hieรŸ bis 1945 CraushaarstraรŸe (benannt nach dem 1870 gefallenen General Ernst Adolf von Craushaar).
Foto: Sammlung Falk Lรถffler

Bereits 40 Jahre frรผher war auch der Photograph Edmund Kesting auf Christa von Craushaar aufmerksam geworden. Er hat uns ein beeindruckendes Portrรคt der damals zwanzigjรคhrigen Frau hinterlassen (unser Titelbild). Der auch in der Kunstgeschichte bewanderte Photograph Kesting kommentierte das von einem Schleier verdeckte Portrait mit der Bemerkung โ€žGoyas Modelle sind unsterblichโ€œ. Das Bild stand wรคhrend der Trauerfeier am 8. September neben dem Sarg der Verstorbenen in der Kapelle des ร„uรŸeren Plauenschen Friedhofes โ€“ dort sind auch Slava und Fritz Lรถffยญler begraben.