Weg 19: Fichtelberg – Schlettau – Annaberg/Buchholz

»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«

März 2025: Weg 19: »Fichtelberg – Schlettau – Annaberg/Buchholz« von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

Von ganz ohm ins Land nunner gehn

Es ist der 3. Oktober 2012, der neue deutsche Nationalfeiertag und der Tag der Einheit. Was liegt da näher als eine Wanderung vom höchsten Punkt im Freistaat Sachsen durch die Wälder hinab in die normale Erzgebirgsgegend mit ihren langgestreckten Dörfern bis hin zum berühmten Annaberg-Buchholz zu unternehmen. Wenn man es richtig sieht, so waren es die einfachen Menschen in dieser Gegend, vor allem die Bergleute, die den sächsischen Fürsten und Adelsgeschlechtern durch ihre Erträgnisse und Abgaben zu dem Reichtum verhalfen, mit dem diese ihre prächtigen Residenzen errichten ließen. Für uns Heutige sind die alten Burgen und Schlösser gerade jetzt aber auch in künftiger Zeit noch vermehrt die herrlichsten Ausflugsziele. Menschen aus aller Welt kommen deshalb hierher nach Sachsen und beneiden uns dafür. Diesen Schatz haben die Erzgebirgler im Mittelalter erwirtschaftet und das unter sehr harten Bedingungen. Einer, der dies 1784 als Reisender erkannte, schrieb darüber:
„Sachsen ist ein herrliches Land, Bruder! Ich habe einen großen Umweg durch das Erzgebirge, über Freiberg, Marienberg, Annaberg und dann über Zwickau und Altenburg hierher gemacht. Ein fleißigeres Volk als die Sachsen habe ich noch nie gesehen. Das ganze Gebirge wimmelt von beschäftigten Menschen, und selbst den nackten Felsen trotzen sie Nahrung ab. Ihr empfindsamer und reger Geist ist unermüdet und unerschöpflich. Die Sachsen haben sich durch ihre Geschicklichkeit im Bergbau in ganz Europa bekannt gemacht. Ihre starken Körper, ihr unverdrossener Fleiß und ihr natürlicher Verstand machen sie vorzüglich zu dieser Art von Arbeit aufgelegt, die unter allen menschlichen Beschäftigungen ohne Vergleich die härteste und mannigfaltigste ist und deren Produkte in der Verhantierung so viele Kenntnisse erfordern. Das Volk in den kleinsten sächsischen Bergstädten, die oft ringsum durch wilde Gebirge von der übrigen Welt getrennt sind, ist artiger, gesitteter und aufgeweckter als in den großen Städten von Süddeutschland.“
Tja, das muss wohl e Bayer gewesen sein – die mögen ja sogar unsern Dialekt – na ja, ni alle. Ehrlich gesagt, mein Wandergenosse Christian und ich sind gerne Sachsen und ooch e bissl stolz troff!! Und so fahren wir also nach Oberwiesenthal. Um 9:00 sind wir vor Ort, nachdem wir in Hammer-Unterwiesenthal die Fichtelbergschmalspurbahn überholt hatten. Oberwiesenthal ist abartig mit Verkehrsgebots- und Verbotsschildern zugepflastert. Wir fanden aber doch noch ein Fleckchen für unser Auto ohne teuer zu löhnen, nicht weit von der Talstation der Schwebebahn und der Liftanlagen. Vom Markt erreicht man, vorbei an der kleinen Eisbahn nach 0,3 km die Auslaufzonen der Skipisten. Wir hieven uns in den gerade um 9:00 startenden 4-er Sessellift und auf geht’s. Rückwärts sehen wir den mit 1244m etwas höheren Keilberg auf böhmischer Seite, in dessen Schatten Jachimov, das ehemalige Joachimsthal versteckt liegt. Wer weiß das heute noch, dass der deutsche Taler in diesem Nest geprägt und aus dem dann auch der Dollar sprachlich abgeleitet worden ist – den nun heute jeder kennt.

Oberwiesenthal und Fichtelberg:
Oberwiesenthal, Kurort und Wintersportzentrum liegt am Fuße des Fichtelberges und ist mit 914 m über N. die höchstgelegene Stadt Deutschlands.
1527 aus „Wilder Wurzel“ gegründet, erhielt „Neustadt Wiesenthal“ Annaberger Bergrecht, 1530 Stadtrecht, verlor jedoch durch die Unergiebigkeit der Erzvorkommen an Bedeutung.
Die Schmalspurbahn von Cranzahl sowie die Seilschwebebahn von 1924 beförderten die Entwicklung des Ortes für den Fremdenverkehr.
Der Fichtelberg, mit 1214 m Sachsens höchste Erhebeung ist durch die Seilbahn von Oberwiesenthal bis zur Bergkuppe bequem erreichbar.
Auf ihr wurde am 18.Juli 1999 das neue Fichtelberghaus mit Panoramaturm (33m) eingeweiht.

Die Türme der Schwebebahn sind komplett erneuert worden und mit Beginn der Skisaison 2012 konnte die Bahn wieder schweben. Oben angekommen, auf dem mit 1215 m höchsten Punkt in Sachsen, lassen wir den Blick nach unten ins Land schweifen und etwas Feierliches ergreift uns, gerade an diesem 3. Oktober – weil Sachsen nämlich ooch sentimental sein könn`n. Nun aber los, denn der Weg ist etwa 22 km lang. Hinter der großen Wetterstation geht es den Reitsteig hinunter immer der roten Markierung folgend. Die krüppligen Kiefern auf der Höhe weichen bald satten, kräftigen, dicht stehenden Bäumen.

Auf dem höchsten Punkt. Foto: Dr. Michael Damme
Zschopauquellberg. Foto: Dr. Michael Damme
Eine Furt durch die Zschopau. Foto: Dr. Michael Damme
Glückspilze. Foto: Dr. Michael Damme

Unseren Weg kreuzt die Nordschneise, die Hirschfalzstraße bevor wir nach 2 km nach links in den asphaltierten Ausrückweg einbiegen. Nach 0,6 km geht’s nach rechts zum Schwarzen Teich, wo die Baby-Zschopau durchfließt, die rechts unseres Weges ihr Quellgebiet hat. Nach 1,6 km biegen wir nach links auf die Pförtelstraße ein und verlassen diese nach links auf einen Waldweg, der hier an einem kleinen See beginnt und 1,7 km erst rechts und dann links dem Bachlauf folgt. In der Mitte legen wir uns ein paar Steine in das Wasser und balancieren über den Bach auf die linke Seite hinüber. Pfifferlinge, Steinpilze und Täublinge stehen an unserem Weg und natürlich auch die herrlichsten Fliegenpilze. Die wenigen Wanderer grüßen uns mit dem alten Bergmannsgruß „Glück auf!“. Am Ende des Waldweges treffen wir auf die Zscho-pautalstraße, der wir 2,1 km bis zum Grillplatz am Ende des Waldes und am Eingang zum Ort Crottendorf folgen. Nach 1,8 km vorbei an der Räucherkerzenfabrik erreichen wir das Schnapsmuseum. Es hat zu, aber wir genehmigen uns an dieser Stelle einen kleinen Kräuterlikör. Erwähnenswert ist die kleine Dreifaltigkeitsdorfkirche mit der wunderbaren getäfelten, bemalten Holzdecke aus dem Jahr 1654. Mensch, der Ort zieht sich aber lang. Nach 2,2 km geht’s nach dem Dorf auf dem Radweg weiter, dem ehemaligen alten Bahndamm der Kleinbahn. Kurz vor Waltersdorf können wir unsere Füße in einem Becken beim „ Kneiptreten“ abkühlen. Vom Ortsausgang Crottendorf bis zum Rathaus Waltersdorf sind es ca. 2 km. Hier biegen wir nach links in den Kirchsteig hinauf nach Schlettau. Über die Felder schweift unser Blick ins Erzgebirgsland. Bald schon sehen wir den Turm der Kirche St. Ulrich und nach 2 km erreichen wir den dazugehörigen Ort. Hier hält auch die Erzgebirgische Aussichtsbahn von Aue oder Annaberg kommend.

Blick nach Schlettau. Foto: Dr. Michael Damme

Schloß Schlettau:
Eine Wasserburg von etwa 1200 im Mündungswinkel von Roter Pfütze und Zschopau deckte die Fernhandelsstraße Halle – Prag, an der um 1350 eine Marktsiedlung entstand. Aus ihr bildete sich die Herrschaft der Schönburger, die 1413 an das Kloster Grünhain kam. Reiche Silbervorkommen um 1500 brachten Schlettau den Status einer freien Bergstadt.
Um 1430 erfolgte der Schloßbau, der mehrfach umgestaltet wurde, 1814 sogar zu einer Baumwollspinnerei. Weitere Veränderungen erfolgten unter den Nachbauherrn, zumeist Fabrikanten.
Dennoch sind in dem hohen Bruchsteinbau spätgotische Vorhangbogenfenster und geschlossene Renaissancefenster erhalten geblieben. Im Inneren sind drei übereinanderliegende Säle und ein Rittersaal mit Rundbogenportal bemerkenswert.
Das Schloß, heute Museum, wird seit 1996 umfassend rekonstruiert.
Zum Schloßkomplex gehört das Herrenhaus von 1750, das sogenannte Reuterhaus von 1701 am Markt sowie der kleine englische Park mit Teich.
Das zweigeschossige Rathaus mit Dachreiter wurde 1720 – 1727 errichtet.
Stadtkirche ist die evangelische St. Ulrichskirche aus dem 15. Jahrhundert, die nach einem Brand 1651 wieder erbaut wurde und später eine barocke Ausstattung erhielt.

Wir folgen nun der B101 nach Annaberg bis zum Ortsausgang 0,3 km. Hier schwenkt die Straße nach rechts. Wir steigen aber die Straße steil nach links 0,5 km hinauf. Oben angekommen, verlassen wir die Straße hinter dem Bauernhof nach rechts auf einen Feldweg, dem wir bis zum Ortsrand von Buchholz etwa 1,5 km folgen. Vor den neuen Einfamilien-häuschen geht’s nach links an der Teufelskanzel vorbei. Unser Blick geht hinüber zum 831 m hohen Pöhlberg und dann natürlich nach Annaberg, das sich an den Berg schmiegt und dessen trutzige St. Annenkirche den gesamten Blick magisch an sich zieht und für die Landschaft und den Ort etwas überdimensioniert erscheint. Nach 1,5 km biegen wir vom Kohlweg nach rechts ab und steigen etwa 0,8 km hinab nach Annaberg zum unteren Bahnhof. Gegenüber führt der Promenadensteig im Zick-Zack hinauf in den Ort und über die Buchholzer Straße erreichen wir den Markt und nach rechts über die Große Kirchgasse nach 0,5 km die Turmfront der Annenkirche – unser Ziel.

Annaberg-Buchholz:
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gab es Bergbau im Pöhlberggebiet. Als 1492 am Schreckenberg mächtige Silberlager entdeckt wurden, kamen Bergleute aus ganz Deutschland hierher.
Zeitweise gab es 600 Silbergruben und bereits 1497 wurde durch Herzog Georg (1471-1539) die Gründungsurkunde ausgefertigt für die „Newe Stat bey dem Schreckenberge“, die 1508 bereits 8000 Einwohner zählte. Der Landesherr vergab Stadtrecht und damit verbunden Berg- und Münzrecht. Die Silbermünzen aus Annaberg waren als die „Schreckenberger“ bekannt.
Bereits 1499 ist dann der Name „Sankt Annabergk“ bezeugt. Namenspatronin ist die heilige Anna, die als Mutter und Schutzherrin des Silbers gilt.
Ihren Namen trägt auch die 1499 begonnene, 1519 geweihte und 1525 vollendete (an Stelle einer ersten Holzkirche errichtete) St. Annen-Kirche, Sachsens bedeutendste spätgotische Hallenkirche.
Die „Schöne Tür“, die 100 Tafeln an der Empore, Hochaltar, Altar der Münzer und der „Bergaltar“ mit der ersten Profandarstellung von Szenen aus dem Bergbaualltag sind von hohem kultur- und kunstgeschichtlichem Wert.
Mit der Bedeutung der Stadt ist auch der Name des Rechenmeisters Adam Ries (1492 – 1559) verbunden, der sich 1523 hier ansiedelte. Er wurde Landesherrschaftlicher Bergschreiber, 1539 Hofarithmedicus, Oberster Finanzkontrolleur der Bergbaueinkünfte und verfasste das erste Rechenbuch, das 108 Auflagen erreichte.
Erwähnenswert ist auch das segenreiche Wirken der „Mutter des Spitzenklöppelns“ Babara Uttmann (1514-1574), die etwa 900 Klöpplerinnen Verdienst sicherte, und in der Bergstadt verstarb.
Das ebenfalls 1497 im Zuge des „Großen Berggeschrey“ als Bergmannssiedlung gegründete Buchholz wurde 1949 mit Annaberg zur Doppelstadt vereinigt.

Annaberg. Foto: Dr. Michael Damme

Als wir auf der Bank sitzen und auf den Bus warten, kommen wir mit einer älteren Dame aus Bärenstein ins Gespräch. Wir reden über gestern und heute. Das Leben im Erzgebirge ist immer noch schwer, resümierte ich nach dem schönen Dialog. Morgen fährt die Frau zur Augen – OP nach Radebeul, wozu wir ihr gutes Gelingen wünschten. Mit dem Linienbus, der aus Chemnitz kommt, geht es vom Busbahnhof aus (man kann auch am Unteren Bahnhof einsteigen) im Sehmatal entlang über Bärenstein, Hammer-Unterwiesenthal bis zum Bahnhof Oberwiesenthal.
Bei den Böhmen in Vejprty (Weipert) hole ich mir `ne Stange Zigaretten zum halben Tarif und in einer böhmschen Kneipe stellen wir bei einer Knoblauchsuppe und einem Pilsner Urquell fest, dass dieses Sachsen ein schönes Land ist und dass auch der Handel und die Nachbarschaft mit Böhmen stets große Bedeutung gestern und heute für uns Sachsen hatte und hat – Prost!