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Vom ehemaligen Rathaus zum heutigen Ortsamt Loschwitz (Teil 1)
Erinnerungen an die Grundstraรe 3 โย vom โSalz-Hausโ zum Rathaus
Zehn Jahre sind vergangen, seit in Loschwitz ein neues Ortsamtsgebรคude eingeweiht werden konnte. Mit diesem ersten von zwei Beitrรคgen soll an die Geschichte des Hauses Grundstraรe 3 erinnert werden, das neben der Grundstraรe 1 und dem ehemaligen โRatskellerโ mit seinen Anbauten dem Neubau des Ortsamtes Loschwitz weichen musste. In einem zweiten Beitrag im nรคchsten Heft berichtet der ehemalige Ortsยญamtsleiter, Peter Rauch,ย รผber die Zeit des Aufbaus und des Wirkens dieses Amtes bis 2001 und seiner Bedeutung heute.
Im Jahre 1994 wurden das Haus Grundstraรe 3 in Loschยญwitz ebenso wie der eheยญmalige โRatskellerโ und die Gebรคude der Grundstraรe 1 abgerissen. Das neue Ortsamt Loschwitz wurde errichtet. Als ehemaliger Mieter der Grundstraรe 3 mรถchte ich nach einigen Recherchen und mit dankbarer Unterstรผtzung von Matthias Griebelย und Eberhard Mรผnzner an dieses fรผr Loschยญwitz durchaus historische Haus erinnern.

Foto: W. Gรถtz
Das Foto oben links zeigt etwa den Bereich des heutigen Ortsamtes. In den 60er Jahren war die โHOG Ratskellerโ eine gern besuchte Gaststรคtte. Links oben ist noch die Ruine des โBurgbergesโ zu erkennen. In der Mitte ist die โรffentliche Toiletteโ und die Haltestelle fรผr den โC-Busโ (Grundstraรe 1/3) zu sehen. Dahinter befanden sich die Seitengebรคude des Ratskellers, die 1963 als โGarderobenโ fรผr Karin Schrรถder und Rolf Herricht wรคhrend der Dreharbeiten fรผr den Film โGeliebte Weiรe Mausโ dienten, ehe sie immer weiter verfielen und 1988 abgerissen wurden.
Doch die Geschichte des Hauses Grundstraรe 3 (im linken Bild rechts) geht fast 300 Jahre zurรผck. Bereits ab 1716 ist ein Gebรคude auf diesem Grundstรผck nachweisbar. Das Bild unten zeigt ein Haus, das spรคter unter dem Namen โFellerโ-Haus bekannt wurde. Schon im Jahre 1805 ist die Grundstraรe 3 (Brand-Kataster-Nummer 102) im Besitz der Familie von Johann Gottยญfried Feller ausgewiesen und wird spรคter an den Sohn Carl Gottlob Feller vererbt.

Foto: W. Gรถtz
Auf diesem Foto von August Kotzsch (unten), um 1870, ist der Sohn von Carl Gottlob Feller, August Hermann Feller, ein Schneidermeister, ganz links in der Laube zu sehen. Vor der Haustรผr ist wohl seine Frau abgebildet. Deren beide Sรถhne Fritz, der spรคtere Brรผckenzolleinnehmer und Brandmeister, und daneben sein Bruder, stehen vor dem โGรคrtchenโ, wie es in seinem Grundriss noch bis 1994 erhalten war. Rechts befindet sich bereits der โSalz-Verkaufโ, der spรคter zur Produktenhandlung Feller umgebaut wurde. Davor ist Carl Gottlob Feller, der Vater des Produktenhรคndlers, zu sehen.
Die Einfassung fรผr die noch im offenen Bachbett der Grundstraรe flieรende Trille ist ebenso erkennbar wie links der โUntere Burgbergโ, der nach dem Umbau als โRatskellerโ ab 1883 der Gemeinde gehรถrte. Hier befand sich seitdem die Gemeindeverwaltung, das Standesamt und weitere Kassenstellen. Die โRatssitzungenโ fanden im Saal in der ersten Etage statt. An der rechten Bildkante ist bei Kotzsch noch der Giebel des Vorlรคufers der heutigen Grundstraรe 5 zu erkennen.

Foto: August Kotzsch (Sammlung M. Griebel)
Etwa 30 Jahre spรคter ist das alte โFellerโ-Haus modernisiert und als โSalz-Hausโ bekannt (siehe Titelยญfoto). Der Dachยญgiebel wurde vergrรถรert, die Fenster zur Nordseite mussten dem nun geringen Abstand zum neuen Gebรคude der Grundstraรe 5 (mit Milch- und Butterhandel des Ernst Kunze) weichen. Ein neuer Ladenanbau mit Balkon dient dem โProduktenhandelโ. Der Schneidermeister und Produktenhรคndler August Hermann Feller ist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Bewohner der Grundstraรe 3ย in der zweiten Etage ebenso nachgewiesen wie Christiane Feller, eine Putzmacherin bzw. Modistin, auf dem Titelfoto wohl eine der beiden Damen links. Die andere Dame ist mรถglicherweise die Frau des Brรผckenzoll-Einnehmers, der in Uniform zu erkennen ist. Auf dem Balkon befinden sich die Bewohner der ersten Etage, der Gemeinderegistrator und stellยญvertretende Standesbeamte Arthur Rieร und dessen Frau. Das Bachbett der Grundstraรe im vorderen Teil ist bereits geschlossen.
Seit 1903 gehรถrte die Grundstraรe 3 zum โRathausโ. In den folgenden Jahren wird amtlicherseits stets auf die Verbindung der Grundstraรe 3 als โRathaus โ zu Kรถrnerplatz 3 mit gehรถrigโ hinยญgewiesen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde dem โRatsยญkellerโ mit dem Seitengebรคude (damals Stallungen, spรคter Garagen), dem Hof (Lager der Wasserwirtschaft) und der Grundstraรe 1 und 3 eine โZusammengehรถrigkeitโ zugeschrieben. In der Grundstraรe 1 befanden sich Anfang des 20. Jahrhunderts die โPrรผfungsstation und Reparaturwerkstatt fรผr das Wasserwerkโ, kurz die โRohrmeistereiโ genannt.

Foto: unbekannter Fotograf (Sammlung Gรถtz)
Im Erdgeschoss der Grundstraรe 3 war die Steuer- und Wasserzinsยญhebestelle. Die erste Etage war der Gemeinde, dem Einwohnermeldeamt und der Brรผckenverwaltung, spรคter auch der Kirchenยญkassenยญverwaltung vorbehalten. Die Gemeindeverwaltung beinhaltet 1918 die โGemeinde- , Spar-, Schul-, Armen-, Wasserwerks- und Brรผckenkassenverwaltung sowie die Gasgeldeinnahmeโ. In der zweiten Etage wohnte der Polizeiwachtmeister Ernst Junghans bis 1919. Dort wird spรคter die Gemeindebauverwaltung eingerichtet und die Geschรคftsstelle des โZweigยญverein Heimatdankโ. Der Gemeindeยญยญsitzungssaal befand sich weiterhin im โRatskellerโ.
1921,ย mit der Eingemeindung von Loschwitz nach Dresden, besitzt die Grundstraรe 3 โDie Stadtgemeindeโ. Im folgenden Jahrzehnt wohnten keine Mieter im Haus. Im Erdgeschoss befand sich das Stadtsteueramt, in der ersten Etage die Spar- und Girokasse und in der zweiten Etage die Kreisstelle des Fรผrsorgeamtes.

Foto: unbekannter Fotograf (Sammlung Gรถtz)
Das Bild oben zeigt das Haus Grundstraรe 3 โ โDie Stadtgemeindeโ โ um 1935. Nach einem erneuten Umbau sind zwei zusรคtzยญliche Gauben im Obergeschoss zu erkennen, der Anbau mit Balkon ist verschwunden. Links hinten ist das โHotel Burgbergโ zu sehen, das gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Lazarett wurde, ehe es 1945 den Bomben zum Opfer fiel. Das Gebรคude der Grundstraรe 1 ist nรคher herangerรผckt. Die Reklame am Haus Grundstraรe 5 โB. Bernstengel…โ verweist auf Bertha, die als Produktenhรคndlerin seit Anfang des Jahrhunderts tรคtig ist. Ihr Ehemann Friedrich Julius ist Brรผckenzolleinnehmer. Die Straรenbahngleise fรผhren seit 1925 in die Grundstraรe 3 als Endhaltestellen der Linien 1 und 2.
Mitte der 30er Jahre wohnten in der zweiten Etage der Arbeiter Erhard Woog und sein Bruder Heinz Woog. Im Erdgeschoss befanden sich daยญmals die NSDAP und das Amt fรผr Volkswohlfahrt und in der ersten Etage die Nebenwache des 19. โWohlยญfahrts-Polizei-Reviersโ. Etwa ab 1936 befinden sich auch das Standesamt und das Stรคdtischeย Beยญstattungsamt in der Grundstraรe 3. 1940 erhielt Heinz Woog einen โDienstvertragโ als Hausmann fรผr die Grundstraรe 1 und 3. Mit seiner Frau Bertha und den beiden Tรถchtern Annelies und Karin wohnte er hier bis 1969.

Foto: B. Woog./ unbekannter Fotograf (Sammlung Gรถtz)
In der Bombennacht vom 13./14. Februar 1945 wurde das Haus Grundstraรe 3 durch Brandbomยญben nur gering beschรคdigt, wรคhยญrend die Grundstraรe 1 und der Schuppentrakt im Hof vollstรคndig ausbrannten. Die Geschรคftsstelle der NSDAP, Ortsgruppe Loschยญwitz, wurde noch bis zum 8. Mai 1945 in den Saal des Gasthauses zum โKameradโ verlegt. Dann war der Krieg endlich vorbei.
Die zerstรถrte Grundstraรe 1 wurde behelfsmรครig wieder aufgebaut und von der Energieversorgung genutzt, ein Hochwasserschutzยญlager kam in neue Schuppen im Hof. In der Grundstraรe 3 gab es nun wieder โWohlfahrtseinrichtungenโ. Kommunale Aufgaben wurden durch das Wohnungsamt und die Volkssolidaritรคt wahrยญgenommen. In der ersten Etageย hatte die โDHZย Haushaltchemieโ Einยญzug gehalten. Hier fuhr Mitte der 50er Jahre auch oft Generalfeldmarschall a. D. Friedยญrich Paulus vor, der in Oberloschยญwitz residierte, um persรถnlich seine Bestellungen zu ordern.

Foto: B. Woog./ unbekannter Fotograf (Sammlung Gรถtz)
Um 1950/51 erfolgte der Abbruch und Neubau der Grundstraรe 1 zur Trafostation, รถffentlichen Toilette, Kiosk und Wartehalle fรผr den O-Bus. Die รถffentlichen Toiletten befanden sich bis dahin im Durchgang vom Ratskellergarten zur Standseilbahn. Im gemeinsamen Hof zur nunmehrigen Gaststรคtte โHOG Ratskellerโ wurde 1954 das Hochwasserlager erweitert und auch eine Obst- und Gemรผsesammelstelle eingerichtet. Nach Umbauten am โRatskellerโ befanden sich dort in den sechziger Jahren neben dem Gaststรคttenbetrieb รผber dem spรคter umgebauten Kรผchentrakt auch Wohnungen fรผr 4 Mietparteien.
Auf dem Foto der Endhaltestelle der Straรenbahn ist vorn Roselotte Schlutter zu erkennen, die mit ihrer Familie damals im โRatskellerโ wohnte. Diese Endhaltestelle der Straรenbahn bestand noch bis 1950. Im gemeinsamen Hof mit der Grundstraรe 3 befand sich auch der โรlschuppenโ des โRitzelkehrersโ, wie die Kinder den โWeichenpflegerโ der Straรenbahn nannten… 1960 wurde die Grundstraรe 3 umgebaut. Auch die erste Etage wurde wieder zu einer Wohnung. Toilette und Bad wurden in der ersten und zweiten Etage eingebaut.

Foto: B. Woog./ unbekannter Fotograf (Sammlung Gรถtz)
Im Saal des โRatskellerโ probte der Gesangverein, Tanzstunden und Abschlussfeiern fanden hier statt. In der Grundstraรe 3 zog โDie Stadtgemeindeโ ein. Die SVK-Rentenzahlstelle und Schiedskommission, Jugendweihe-, Konsum-, Wohnbezirks- und Wahlausschuss hatten im Laufe der Zeit hier ebenso ihr Domizil wie die Versicherung und die Wohnbezirksparteiorganisation der SED, die bis zum Jahre 1989 hier tagte. Ab 1974 begann der Niedergang und damit der Verfall der โHOG Ratskellerโ. Auf der ehemaligen Terrasse wurde ein Kiosk eingerichtet, der 1976/77 abbrannte. Ein Wasserrohrbruch in derย Gaststรคtte brachte ein Jahr spรคter das endgรผltige โAusโ. Die Problematik derย fast stรคndig geยญschlossenen โรffentlichen Toiletteโ im Zusammenhang mit dem dann wieder geรถffneten Kiosk amย โRatskellerโ und damit die Belรคstigungen insbesondere fรผr die Anwohner, soll hier nur erwรคhnt werden. 1988 wurde dann auch der ehemalige Sitzungssaal und โBallsaalโ im โRatskellerโ als Matratzenlager endgรผltig verwรผstet.
Im gleichen Jahr gab es den Versuch, den Ratskeller-Komplex als Initiativbaustelle der โPGH Handยญwerker Dresden-Ostโ als Wissenยญschaftlich-Technisches Zentrum mit Gaststรคttenbetrieb zu rekonstruieren. Realisiert wurde davon allerdings nur die รคuรere Gebรคudehรผlle des โBrรคustรผblโ.
Wolfgangย Gรถtz
Der Autor wohnte mit seiner Frau Annelies und den beiden Sรถhnen Torsten und Olaf von 1969 bis 1994 in der zweiten Etage der Grundstraรe 3.